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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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den Berg hinunter, führte durch das Tal und verschwand zwischen schimmernden Espen. Zitterpappelwäldchen zogen sich wie Finger zum Talgrund hinab bis zu einem schmalen, mäandrierenden Bach. Links von Joe – und damit im Süden – war der Hang zerklüftet und von beigen Granitvorsprüngen übersät, die aus dem Sommergras ragten wie die Knöchel einer Faust, die gegen gespannte Seide drückt. Zwischen diesen Vorsprüngen standen einzelne dunkle Fichtenwäldchen.
    Der Schatten einer hoch am Himmel dahinsegelnden Haufenwolke glitt langsam von Ost nach West, lief die Stämme hinauf, erfasste und verdunkelte ganze Baumbestände und löste sich wieder von den Kronen, um über den Boden weiterzuwandern.
    Rechts von Joe – und damit im Norden – war der Berg stark bewaldet. Durch einzelne Lücken waren ein paar kleine, grasige Lichtungen zu sehen.
    Joe verglich das Gelände mit einer ramponierten topografischen Karte, die er aus seinem Landkartenstapel gezogen hatte, und vermutete, dass die Hütten zwischen den Bäumen im Norden lagen.
    Mit dem Fernglas konnte er nur ein Gebäude entdecken, eine alte Blockhütte, die sich so stark zur Seite neigte, dass es schien, als könnte sie jeden Moment einstürzen. Die Tür stand weit offen, und die Fenster waren verschwunden. Das war offensichtlich nicht die Hütte, die er suchte.
    Mit seiner Skizze auf dem Schoß fuhr Joe langsam die Straße hinunter ins Tal. Was auch immer an diesem Nachmittag geschieht, wird in diesen Bergen und Wäldern geschehen, dachte er. Entweder wartete Stewie in der Hütte, die er ihr beschrieben hatte, auf Marybeth, oder es handelte sich hier um eine faule Sache. Und sollte Stewie wirklich am Leben sein, wie würde er dann darauf reagieren, dass statt seiner alten Freundin deren Ehemann auftauchte?
    Joe musterte die Bäume und das Unterholz längs der Straße und hielt nach einer alten, kaum benutzten Abzweigung Ausschau, die vermutlich den Hang hinauf nach Norden führte und – laut Skizze – von Bäumen blockiert war, die quer überm Weg lagen, so dass er sich der Hütte zu Fuß würde nähern müssen.
    Je weiter er ins Tal kam, desto schwächer wurde seine Handyverbindung und erlosch schließlich ganz. Joe schaltete das Funkgerät ein, um Kontakt zur Zentrale aufzunehmen, bekam aber nur ein Rauschen zu hören. Er war nun völlig isoliert, und so würde es bleiben, bis er wieder aus diesem Tal im Gebirge auftauchte.
    Im Talgrund war es wärmer, und Joe ließ das Seitenfenster herunter. Seine langsame Fahrt auf die Espen zu war vom leisen Summen der Insekten begleitet, die über dem Teppich frisch erblühter Wildblumen schwebten, und vom sporadischen Knallen kleiner Steine, die sich im Profil seiner schweren Reifen fingen und gegen die Radkästen prallten. Da er bei seinen Patrouillenfahrten darauf zu achten gewohnt war, fielen ihm gleich die frischen Reifenspuren auf, die für eine so abgelegene Gegend ungewöhnlich waren.
    Er fuhr auf einer Straße durch den Wald, wo die Mittagssonne das Laub der Zitterpappeln sprenkelte, und wartete auf eine Abzweigung nach rechts.
    Als er durchs Beifahrerfenster hindurch im dichten Erbsengesträuch Glas und Metall – ein Auto – schimmern sah, stieg seine Anspannung schlagartig, doch er fuhr langsam weiter, als hätte er nichts gesehen.
    Knapp einen Kilometer hinter dem Auto lichteten sich die Espen allmählich. Joe verließ die Straße, fuhr vorsichtig ein Stück weit zwischen die Bäume und schaltete den Motor aus. Sollte der Fahrer des Wagens sich vor ihm verstecken wollen, hätte Joe nun ein Auto anspringen und in die Berge verschwinden hören sollen, doch es blieb still.
    Lautlos stieg er aus, zog seine Flinte hinter dem Fahrersitz hervor, lud sie mit drei Schrotpatronen und steckte weitere Patronen in die Hemdtasche. Dann schloss er vorsichtig die Wagentür.
    Eine nervöse Lizzie schob sich rückwärts aus dem Hänger, und er war froh, dass sie nicht auf den Metallboden des Trailers stampfte oder draußen wieherte. Er saß auf, zurrte den Hut fest, schob die Flinte so ins Sattelfutteral, dass nur der Kolben herausschaute, und lenkte Lizzie zur Straße zurück, hielt sich aber links von ihr im Wald. Die Stute suchte sich ihren Weg an den Ort zurück, von dem aus er den Wagen gesehen hatte.
    Joe kniff die Augen zusammen, entdeckte einen alten, halb zugewachsenen Weg und beugte sich vor, um einem brusthohen Ast auszuweichen. Der Bach war weit weg, und bis auf Lizzies Schritte war es völlig still. Er war

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