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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Zettel mit der Wegbeschreibung zur Hütte auf, die Marybeth am Telefon bekommen hatte.
    Dann zog er den Hut tief ins Gesicht, setzte mit dem Pick-up die Einfahrt hinunter auf die Bighorn Road zurück und startete in die Berge.

22
Nordwestlich von Saddlestring, Wyoming
6. Juli
    Als der Alte im Mercedes Geländewagen unterwegs war – dank Tempomat fuhr er die ganze Zeit sechs Stundenkilometer überm Limit –, sah er einen kleinen Kassettenrecorder zwischen den Sitzen stehen und zog ihn heraus. Anwälte reden gern in solche Geräte, dachte er, und geben ihre kostbaren Gedanken später ihren Sekretärinnen zum Abtippen. Dann fiel ihm die Mikrokassette ein, die sie aus Hayden Powells Anrufbeantworter genommen hatten. Die linke Hand am Steuer, grub er im Tagesrucksack auf dem Beifahrersitz, bis er das Band fand, und schob es ins Gerät. Es passte.
    Er spulte die Kassette zurück und warf erneut einen raschen Blick in den Rückspiegel. Der Alte war die ganze Nacht über gefahren, und jetzt rechnete er ständig damit, dass der schwarze Ford Pick-up von hinten angerast kam. Sobald sich ein dunkles Fahrzeug näherte, griff er nach seiner Faustfeuerwaffe auf der Konsole. Ihm war sonnenklar, dass Charlie Tibbs irgendwo hinter ihm war, und die zweispurige Überlandstraße, auf der er fuhr, war die einzige Straße gen Süden. Es mochte später an diesem oder erst am nächsten Tag sein, doch Charlie würde auftauchen. Der Alte hoffte inständig, es bis dahin in die Stadt und wieder hinaus geschafft zu haben. Wenn nicht, würde er tot sein. So einfach war das.
    Er hörte sich die Kassette ganz von vorn an und bekam so Einblick in die letzten Tage von Hayden Powells Leben – in die Woche, ehe er, der Alte, mit Charlie Tibbs gekommen war, um sein Dasein zu beenden.
    Es gab mehrere Anrufe von Powells New Yorker Verleger, der sich nach Auszügen aus Wer den Westen kaputtmacht erkundigte, um sie in der Hoffnung herumschicken zu können, lobende Worte von anderen Autoren und von Umweltschützern zu ernten, die dann auf dem Schutzumschlag des Buchs und in der Pressemappe gedruckt werden konnten. Der Verleger sagte Powell, er solle sich keine Sorgen darüber machen, dass das Manuskript noch nicht fertig sei – Hauptsache, er schicke einige Kapitel, die aus sich heraus verständlich seien, und heimse dafür schon mal Vorschusslorbeeren ein.
    Auch gab es eine Nachricht von Powells Anwalt, der ihn warnte, die Börsenaufsicht habe angerufen und wegen der bankrottgehenden Internetfirma um ein Gespräch gebeten. Er empfehle, dieses Gespräch möglichst lange hinauszuzögern, doch sie müssten sich bald treffen, um eine Strategie zu entwickeln, wie mit den Anschuldigungen umzugehen sei.
    Dann gab es mehrmals die kurze Bitte » Ruf mich an«, die – wie der Alte vermutete – von Powells Ex-Frau stammte.
    Kurz vor Ende des Bandes rief Charlie Tibbs an. Es war still bis auf leise Verkehrsgeräusche. Der Alte hatte neben Tibbs gesessen, als der am Ortseingang von Bremerton angerufen hatte.
    In der Annahme, dies sei die letzte Aufzeichnung gewesen, wollte der Alte schon die Stopp-Taste drücken – doch Powell hatte noch eine Nachricht bekommen.
    Beim letzten Anruf war die Verbindung schlecht, und es rauschte ziemlich. Die Stimme klang belegt und undeutlich.
    » Du weißt, wer dran ist. Du musst so rasch wie möglich verschwinden. Erst haben sie versucht, mich zu erledigen, und nun ist Peter Sollito tot. Solche Dinge kommen immer im Dreierpack, und wer weiß, wen es als Nächsten erwischt – vielleicht ja dich, Hayden. Wir müssen uns treffen, die Sache durchdenken und uns eine Strategie überlegen, ehe es zu spät ist.«
    Der Alte war sprachlos. Diese Nachricht konnte nur von Stewie Woods gekommen sein.
    Der Mercedes erklomm einen Hügel, und unvermittelt tauchten die Bighorn Mountains in der Morgensonne hellblau, spitz und klar vor ihm auf. Das kleine Saddlestring sah von fern aus, als habe jemand eine Kiste voller Flaschen auf dem steinharten Boden am Fuß der Vorberge zerschlagen und als würden diese Scherben nun in der Sonne gleißen.

23
    Sheridan Pickett hatte es sich im Pyjama zwischen vielen Sofakissen vor dem Fernseher gemütlich gemacht, als Maxine an der Haustür zu bellen begann. Das zerstörte Sheridans perfekten Samstagmorgen. Sie fegte Bonbonpapier und eine halb geleerte Tüte Chips beiseite, arbeitete sich aus den Kissen heraus und schlüpfte in ihren Frotteebademantel, als jemand wuchtig an die Tür klopfte und dann auf die

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