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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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des Schusses rollte noch immer durch den Wald.
    » Runter!«, rief er zur Hütte hoch, ohne zu wissen, wie viele Menschen darin waren. » Auf den Boden!«
    Und plötzlich spürte er einen Aufprall, als ob eine Axt in weiches Holz fuhr. Lizzie stolperte, und ihre Vorderbeine sackten weg, während die Hinterläufe nach oben flogen. Beim Sturz vornüber zog sie den Kopf ein und warf Joe ab. Er landete krachend auf dem Boden und knallte an den unteren Absatz der Verandatreppe, wobei Brust und Kinn das meiste abbekamen. Lizzie vollendete den Salto ihrer fünfhundert Kilo und landete mit solcher Wucht nur dreißig Zentimeter neben ihm, dass der Boden zitterte.
    Britney kreischte noch, hatte sich aber bereits heiser geschrien und hatte praktisch keine Stimme mehr, als Joe im Türrahmen auftauchte. Der Sturz hatte ihm den Atem geraubt. Gebeugt und mit auf die Knie gestützten Händen stand er auf der Schwelle und rang nach Atem. Das Seil, das vorhin noch am Sattelhorn gehangen hatte, hing nun an seinem Fuß.
    Stewie kam ruckartig um den Tisch herum, auf dem Coble lag, und zog Joe in genau dem Moment von der offenen Tür weg, als die nächste Kugel ein faustgroßes Loch ins talwärts gewandte Fenster schlug und die Scheibe zu Bruch gehen ließ.
    » Runter!«, befahl Joe, ließ sich auf alle viere fallen und zog Stewie mit sich.
    Systematisch trafen Kugeln die Vorderseite der Hütte und schlugen Löcher in die Wände, die wie Sterne, Herzen oder Sonnenräder aussahen und denen jedes Mal der rollende Donner schweren Gewehrfeuers folgte.
    » Sie müssen Stewie Woods sein«, sagte Joe und sah den Mann an, der ihm in die Hütte geholfen hatte.
    » Und Sie sind nicht Mary Harris«, erwiderte Stewie.
    » Ich bin ihr Mann.« Joe funkelte das entstellte Gesicht seines Gegenübers zornig an. Das ist nicht der richtige Moment, um ihm eins zu verpassen, dachte er. » Und sie heißt Marybeth Pickett.«
    Stewie stieß einen Pfiff aus. » Sie sind Jagdaufseher.«
    » Stimmt.«
    » Wissen Sie, wie viele da auf uns schießen?«, fragte Stewie bemerkenswert ruhig.
    » Ein älterer Mann in einem schwarzen Ford Pick-up. Er hat ein Wahnsinnsgewehr und weiß, was er tut.«
    » Sehen Sie sich mal an, wie er John Coble zugerichtet hat.« Stewie zeigte zum Tisch hinauf. Jetzt erst bemerkte Joe die Stiefel, die von der Kante hingen, und den seitlich abstehenden Arm. Ein Rinnsal dunklen Blutes – dick wie Schokoladensirup – lief vom Tisch und bildete auf dem Boden eine sich ausbreitende Pfütze.
    » Ist er …«
    » Er ist tot«, sagte Stewie. Britney Earthshare war inzwischen zu ihnen gekrochen. Ihre vor Schreck starre Miene war eine Maske des Ekels. Joe hatte Verständnis dafür. Er konnte Bedeutung und Gefahr der Lage, in die er geraten war, noch nicht erfassen.
    » Haben Sie Waffen hier oben?«, fragte er die beiden.
    » Nein, aber Coble hatte eine Pistole dabei«, erwiderte Stewie.
    » Holen Sie sie. Können Sie damit umgehen?«
    » Natürlich«, sagte Stewie. » Ich bin aus Wyoming.«
    Er rollte sich zum Tisch und stand vorsichtig auf, doch da zerschlug ein weiterer Schuss das Küchenfenster und ließ Glasscherben auf den Boden regnen. Stewie warf sich flach hin und sah Joe vorwurfsvoll an.
    » Vergessen Sie’s!«, rief er.
    » Was ist mit Ihnen, Britney?«, fragte Joe. Sie war näher an Coble dran.
    » Ich rühre keine Waffen an.«
    Joe fluchte. Sie waren zu nichts nutze.
    Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er mit an den rauen Holzboden gepresster Wange dalag. Stewie war gut einen Meter entfernt, und trotz der Dringlichkeit und Gefahr der Lage konnte er sich nicht verkneifen, ihn anzustarren. Er ist grässlich entstellt, dachte Joe. Im Licht der staubigen Strahlen, die durch die Einschusslöcher fielen, wirkte sein Gesicht wie aus nassem, gründlich mit dem Rechen geharktem und dann getrocknetem Pappmaché. Sein Mund war schief, wirkte zu groß, konnte ein tadellos auf dem Kopf stehendes U bilden, wenn Stewie – wie jetzt – zornig war.
    Stewies zu groß geratene Sachen zeigten unübersehbar, dass er kräftiger gewesen war, in letzter Zeit aber den Großteil seiner Muskelmasse verloren hatte. Haut hing welk auf stattlichen Knochen. Sein linker Arm war dünn und hing steif herab, Finger- und Zehennägel waren zu lang, und sein einst voller, roter Bart war nun schütter und farblos. Sein Haupthaar wuchs nur büschelweise, wie das Grün eines Golfplatzes in der Wüste.
    Doch Joe riss seine Gedanken von Stewie los, als er

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