Wilde Glut - Singh, N: Wilde Glut
das bereits in die Wege geleitet.« Henry hatte diesen Mann ausgewählt, weil er intelligent war und Silentium völlig ergeben – im Gegensatz zu Shoshanna war er nicht gewillt, diese wertvolle Kraft zu verschleudern und ihn zu töten, nur weil er stark genug war, um zu einer Bedrohung für sie zu werden.
Sein Gegenüber nickte. »Selbst wenn der erste Teil enttarnt wird, müsste der zweite zu dem gewünschten Erfolg führen.«
Und der Krieg, um Silentium aufrechtzuerhalten, würde ein weiteres Opfer fordern.
18
Andrew ließ seinen Rucksack im Zimmer fallen und riss sich die Kleider vom Leib. Trotz des nächtlichen Regens war der Rückweg nicht beschwerlich gewesen, die Jugendlichen hatten sogar Spaß daran gehabt. Die meisten hatten ihre Sachen auf halber Strecke liegengelassen und sich verwandelt, hatten wie Vierjährige in den Tümpeln getobt, und bei ihrem Wolfsgeheul war ihm warm ums Herz geworden.
Doch die Freude des Wolfes hatte den Schmerz nicht lindern können, jeder Schritt hatte wehgetan – denn trotz allem, was er sich in Bezug auf Charme und Werbung vorgenommen hatte, war er gestern Abend wütend geworden, und es kochte immer noch in ihm. Er war nicht in spielerischer Laune gewesen – Indigo ebenfalls nicht.
Sie hatten nur das Nötigste miteinander gesprochen und waren auf Abstand gegangen. Andrew, um sich zu schützen und weil er sich in Indigos Nähe selbst nicht über den Weg traute. Inzwischen war das Bedürfnis, sie zu berühren, zu liebkosen, zu besitzen, sein ständiger Begleiter. Er hätte sich sofort auf sie stürzen und Rechte einfordern können, die er nicht hatte und die sie ihm nicht geben wollte, obwohl ihn der Duft ihrer Begierde fast verrückt machte.
Er warf das letzte Kleidungsstück auf den Boden, stieg unter die Dusche und versuchte, Wut und Begehren abzuwaschen. Das klappte natürlich nicht, doch der kalte Strahl dämpfte ihn ein wenig. Indigo dermaßen herauszufordern, war ein Fehler gewesen, aber es tat ihm nicht leid. Denn alles in allem war er genauso dominant wie sie. Das würde er nicht verbergen. Was aber auch nicht hieß, dass er nicht alle seine Fähigkeiten einsetzte, um ihren eisigen Widerstand zu überwinden.
Mit Jungs spiele ich nur, dann lasse ich sie fallen.
Er biss die Zähne fest aufeinander, als er sich die messerscharfen Worte wieder in Erinnerung rief. Er würde sich jedenfalls davon nicht vertreiben lassen. Denn das wollte sie ja nur erreichen – suchte einen leichten Ausweg. Doch unabhängig davon, wie wütend ihn das Gesagte gemacht hatte, er würde ihr den Weg versperren. Ihr kein verdammtes Schlupfloch lassen.
Er stellte die Dusche ab und zog sich an, kritzelte etwas auf ein Stück Papier, das er auf dem Weg zur Garage unter Indigos Tür durchschob. Im Augenblick war er nicht einfach zu ertragen. Am besten lenkte er seinen Ärger in eine sinnvolle Richtung, zum Beispiel, defekte Fahrzeuge zu reparieren. Er kannte sich damit aus, war aber kein Experte – würde sich also konzentrieren müssen.
Kaum hatte er jedoch den Bereich unter der Erde erreicht, wo die Fahrzeuge standen, zog ihn jemand beiseite und flüsterte, es gebe Gerüchte über ›Makellosigkeit‹. Drew erstarrte und fragte nach Einzelheiten, doch der Mechaniker zuckte nur die Achseln. »Scheint irgendwas Schräges zu sein, aber keiner weiß, was.«
Das Bedürfnis, das Rudel zu schützen, verdrängte seinen Zorn, und Andrew tat, was er am besten konnte: Er redete mit den Leuten. In den nächsten Stunden ging er von einer Gruppe zur anderen, aß mit den Soldaten zu Mittag, spielte Schach mit den Älteren, trieb sich eine Zeitlang im Krankenflügel und in den Sporträumen herum.
Anfangs war sein Magen wie zugeschnürt. Ein Verräter in ihren Reihen hatte im letzten Jahr fast die eigenen Leute getötet und ihn damit schwer getroffen. Er wusste nicht, ob er das noch ein zweites Mal ertragen konnte. Das Rudel war eine Einheit, Loyalität untereinander das Fundament ihrer Welt. Doch wie sich schließlich herausstellte, war es diesmal etwas ganz anderes.
»Eine E-Mail«, erklärte er Hawke, nachdem ihm schließlich ein Ausdruck davon in die Hände gefallen war. »Der Absender ist anonym, aber dem Inhalt nach müssen die Makellosen Medialen dahinterstecken, die Gruppierung, die Silentium mit allen Mitteln erhalten will. Niemand weiß, woher der Wisch stammt – ein paar Empfänger waren schlau genug, nachzuforschen. Nichts.«
Hawke streckte die Hand aus, und Andrew gab ihm die E-Mail,
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