Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
animalischen Glanz. Er wandte den Kopf, als ob er horchte. »Ich höre genau, dass dein Herz zu schnell schlägt, Rachael. Angst kann man nicht verstecken. Man kann sie nämlich hören. Und riechen. Sie verrät sich mit jedem Atemzug. Jedem Herzschlag.«
Dass sie ihn fürchtete, war ihm unerträglich, denn er hatte sie in sein Herz gelassen. Er hatte von Anfang an gewusst, dass er ihr die Wahrheit sagen musste. Rachael war von irgendetwas in ihrem Leben traumatisiert. Sie hatte Gewalt mit angesehen und selbst erlebt, und er vermutete, dass sie versuchte, davor zu fliehen. Er musste ihr die Wahrheit sagen, sie ihr beweisen - wenn er es nicht tat, hätte er keine Achtung mehr vor sich selbst. Doch es riss ihm das Herz aus der Brust und die Wut, die stets nah unter der Oberfläche schwelte, stieg in ihm hoch und wollte ihn ersticken.
Er hatte eine Weile gebraucht, bis er erkannte, dass sie ihn zum Lachen und zum Weinen brachte, ihn wieder fühlen ließ. Sie hatte ihm das Leben geschenkt. Beinah von Anfang an hatte er sich bei ihr lebendig gefühlt. Er konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder in ein leeres Haus heimzukommen. Er hatte sich gezwungen, ihr die Wahrheit zu sagen, obwohl er Angst davor hatte. Rio hatte noch nie im Leben richtig Angst gehabt, doch nun verlor er womöglich etwas, was er sich nicht zu erträumen gewagt hatte. Furcht gesellte sich zu der Wut in seinem Bauch, und am liebsten hätte er Rachael deshalb angeschrien.
Rachael nickte und verschluckte den dicken Kloß im Hals, der sie würgte. »Das stimmt, Rio. Aber du weißt nicht, wovor ich Angst habe. Jedenfalls nicht vor dir. Und nicht vor dem, was du sagst. Glaubst du, das wäre mir alles so neu? Dass dein Geständnis mich völlig schockiert hat? Ich habe keine Angst vor dir. Du hättest genug Möglichkeiten gehabt, mir etwas anzutun. Mich zu töten, zu vergewaltigen oder anderweitig zu missbrauchen. Du hättest mich auch ganz leicht den Behörden ausliefern und die Belohnung kassieren können. Ich habe keine Angst vor dir. Nicht vor Rio, dem Mann.«
Er kam mit einer Drohgebärde auf sie zu. Umgeben von einer Aura gefährlicher Kraft. Er bewegte sich absolut lautlos. Mit der geschmeidigen Grazie einer großen Dschungelkatze. Die Muskeln unter seiner Haut arbeiteten. Er beugte sich zu ihr herab. Sie hörte, wie er atmete und das leise, drohende Knurren, das aus seiner Kehle kam. Rachael wollte sich nicht einschüchtern lassen, weigerte sich, den Blick abzuwenden. Mit hochgezogener Braue sah sie ihn herausfordernd an.
Die Muskeln an Rios massigem Körper zuckten und verknoteten sich, und er sank auf alle viere zu Boden, starrte sie dabei jedoch ohne einen Wimpernschlag unverwandt an. Rachael war von seinem intensiven, glühenden Blick wie hypnotisiert. Sie bemerkte, wie seine Haut sich nach oben dehnte, als liefe etwas Lebendiges darunter entlang.
»Und was ist, wenn Rio kein Mann ist?« Seine Stimme klang verzerrt und rau. Er hustete, ein seltsames Hüsteln, das sie schon öfter gehört hatte.
Ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Erschrocken und fasziniert sah sie zu, wie sein Körper sich reckte und
streckte, wie Pelz aus seiner Haut platzte, das Kinn sich zu einem Fang auswuchs und Raubtierzähne hervorbrachen. Der Leopard war schwarz und hatte dunkle runde Rosetten im üppigen Fell. Und es war nicht das erste Mal, dass er ihr gegenüberstand.
Rachael merkte, dass sie viel zu schnell atmete. Der Leopard stand nur wenige Zentimeter von ihr entfernt und fixierte sie mit gelb-grünen Augen. Abwartend. Würdevoll und königlich. Sie streckte die zitternde Hand aus, um sein Fell zu berühren. Das Tier fletschte fauchend die unheimlichen Fangzähne, doch sie fasste es trotzdem an. Stellte Kontakt her. Rein instinktiv, das war das Einzige, was ihr in der Situation einfiel. »Eine Ohnmacht kommt nicht infrage«, murmelte sie leise. »Ich hab’s versucht, aber ich kann’s nicht. Ich habe nie verstanden, wie andere Frauen das machen. Aber glaub mir, du kannst dir in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen, wie sehr du mich erschreckt hast.«
Aber noch während sie das sagte, kamen ihr Zweifel an den eigenen Worten. Sie hatte doch zuvor einige Hinweise bekommen. Und sie bloß nicht wahrhaben wollen. Sie für zu weit hergeholt gehalten. So etwas wäre längst von irgendwelchen Wissenschaftlern entdeckt worden. Aber nun stand er vor ihr und sah sie mit wilden Augen an, während sein heißer Atem ihr Gesicht streifte. Ein Leopard, ganz
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