Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
kommen. Dann hustete er laut, eine heisere Warnung, und überzog den verborgenen Feind mit einem weiteren Kugelregen, damit er nicht auf Franz schießen konnte.
Der kleine Nebelparder sprang zurück und war mit einem Mal wie vom Erdboden verschluckt, einfach mit der üppigen Flora verschmolzen, ganz wie es seine Art war. Rio schulterte das Gewehr, lief hakenschlagend durch die Bäume und stieg immer höher hinauf, ohne dass sich auch nur ein Blatt regte.
Nun wusste der Angreifer, dass er sich außerhalb des Hauses befand, und jeder Vorteil, den er gehabt hatte, war dahin. Außer er hätte das unsichtbare Ziel zufällig getroffen - was er stark bezweifelte. Andernfalls begann jetzt ein endloses Katz-und-Maus-Spiel. Rio lag bäuchlings und absolut reglos in einem Baum und suchte mit den Augen unentwegt die Umgebung ab. Der Eindringling musste eine neue Stellung bezogen haben. Niemand hätte an der alten Position bleiben können, ohne getroffen zu werden, doch der Mann war ein Profi und hatte nicht erkennen lassen, in welche Richtung er auswich.
Rio machte sich Sorgen um Rachael, die allein mit einem verwundeten Nebelparder im Haus ausharren musste. Er hatte keine Ahnung, ob sie die nötige Geduld für diese Art des Wartens aufbrachte, mit der ein Scharfschütze oft rechnen musste. Es konnte Stunden dauern, den Eindringling zu vertreiben. Er hätte ihr Bein untersuchen sollen, ehe er sie verließ. Er sah sie schon auf dem Boden verbluten, während sie auf ihn wartete.
Rios Augen schweiften unablässig umher, suchten systematisch einen Teil des Waldes nach dem anderen ab. Nichts regte sich. Selbst der Wind schien sich zu legen. Der Regen setzte wieder ein, leise Tropfen fielen auf das dichte Baumkronendach über seinem Kopf. Minuten verstrichen. Eine halbe Stunde. Er beobachtete eine Schlange, die in etwa einem Meter Entfernung träge über einen Ast glitt. Mehrere Blätter fielen aus dem Nest eines Orang-Utans, als er das Gewicht verlagerte, um sich tiefer in die Äste zu schmiegen. Diese Bewegung, einige Meter von ihm entfernt, erregte Rios Aufmerksamkeit.
Beinahe augenblicklich entdeckte er, dass die Zweige eines kleinen Strauches, gleich unterhalb des Baums, in dem der Orang-Utan schlief, zu schwanken begannen. Der Strauch wuchs ganz unten am Boden, ein ungewöhnliches Versteck für einen seiner Artgenossen. Rio sah genau hin und bemerkte, dass der Strauch sich ein zweites Mal bewegte, er zitterte ganz leicht, so als ob der Wind hindurchstrich. Ganz langsam, um sich nicht auch durch eine Bewegung zu verraten, legte Rio das Gewehr an. Etwas weiter hinten in den Farnen und Sträuchern konnte er die zerfetzten Blütenblätter einer Orchidee ausmachen, die auf einen umgestürzten, modernden Baumstumpf gefallen waren.
Rio bewegte keinen Muskel, behielt nur jene Stelle fest im Auge. Die Zeit verging. Der Regen fiel in gleichmäßigem Rhythmus. Nichts regte sich mehr in den dichten Sträuchern, doch Rio war sich sicher, dass der Heckenschütze dort auf der Lauer lag. Mehrere nachtaktive Flughörnchen sprangen aufgeschreckt hoch, sie flüchteten von einem Baum direkt gegenüber. Kreischend und schimpfend landeten sie in den Zweigen eines benachbarten Baumes
und klammerten sich dort fest. Ein kleiner Schauer aus Zweigen und Blütenblättern regnete auf den modernden Stumpf und den Strauch herab. Rio lächelte. »Sehr schön, Franz«, sagte er leise zu sich selbst. »Gute Jagd, Junge.« Er ließ den Waldboden nicht mehr aus den Augen.
Ein Stiefelabsatz bohrte ein kleines Loch in den Bodenteppich, als der Heckenschütze das Gewicht verlagerte, um einen Blick in die Baumkronen zu werfen. In der Sekunde, in der er erkannte, dass er entdeckt war, feuerte Rio schnell hintereinander drei gezielte Schüsse ab, einen immer etwas höher als den anderen. Der Heckenschütze schrie auf und rollte sich über eine kleine Böschung, dann wurde es abrupt still.
Rio rannte bereits über den Hochweg, um sich näher an sein Ziel heranzupirschen. Er hüstelte zweimal, wobei er sich jedesmal hinfallen ließ, um den Laut zu verzerren, damit signalisierte er Franz, dass er im Schutze der Bäume das Terrain umkreisen sollte. Dann sprang er wieder auf die Beine und lief weiter, um möglichst nah an den Heckenschützen heranzukommen, ehe er sich von dem Treffer erholen konnte.
Am liebsten verfolgte Rio seine Beute von oben, doch nun begann er in die Niederungen abzusteigen und benutzte, stets auf Deckung bedacht, dicke Äste, um schnell von
Weitere Kostenlose Bücher