Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
Geruchssinn witterte Blut. Der Fall auf den Boden hatte ihrem Bein geschadet, sie musste große Schmerzen haben. Rio beugte sich zu Rachael hinüber, fasste sie am Kinn und küsste sie. Und legte alles, was er anzubieten hatte, in diesen Kuss. All seine Wut und seine Angst, aber auch seine Leidenschaft und Hoffnung. Er wollte nicht zugeben, dass er sie liebte, er kannte sie ja kaum, aber es lag Zärtlichkeit in seinem Kuss und zumindest ein Hauch von Liebe. »Versuch nicht, mir zu Hilfe zu kommen, Rachael. Ich tu nur meinen Job, und ich arbeite lieber allein. Ich will, dass du in Sicherheit bist, hier auf dem Boden, wenn ich zurückkehre. Falls er ins Haus kommt, benutz die Pistole. Schieß immer weiter, selbst wenn er zu Boden geht. Und wenn er sich nicht aufhalten lässt und du keine Munition
mehr hast, dann setz das Messer ein. Halt es tief, nah am Körper, und ziel nach oben, auf die Weichteile, sobald er nah genug ist.«
Rachael erwiderte seinen Kuss. »Danke für Lektion 101 im Training mit der Waffe. Komm zurück zu mir, Rio. Sonst werde ich echt böse.« Obwohl sie schreckliche Angst hatte und ihr Zittern nicht mehr im Griff hatte, brachte sie ein Lächeln zustande. »Ich werde hier auf dich warten, auf dem Boden, mit der Pistole in der Hand, also pfeif, bevor du durch die Tür kommst, damit ich weiß, dass du es bist.«
Rio küsste sie noch einmal. Langsamer. Ausgiebig und mit Genuss. Dankbar, dass es sie gab. »Möge das Glück mit dir sein, Rachael.« Er robbte zurück und rollte sich über das letzte Stück. Die Küchenwand wirkte nach außen hin recht solide, doch tatsächlich konnte man eine kleine Klappe nah am Boden öffnen, gerade groß genug zum Hindurchkriechen. Rio stemmte die Bohlen heraus und schlängelte sich durch, nahm sich aber so viel Zeit, die Klappe wieder einzusetzen - falls sein Feind die Gestalt wechselte.
Die Nacht war warm. Der Regen hatte einen Moment ausgesetzt und die Bäume tropfnass zurückgelassen. Sie glänzten selbst in der Dunkelheit sattgrün. Rio schlüpfte in das Laub, ignorierte eine große Python, die sich kaum einen Meter von seinem Haus entfernt um einen dicken Ast geringelt hatte, und hastete durch das Netzwerk aus Ästen hoch über dem Waldboden. Oft war er gezwungen, die Leopardengestalt teilweise zuzulassen, damit seine Füße auf dem glitschigen Holz Halt fanden und er leichter von Baum zu Baum springen konnte.
Er wusste, in welcher Richtung er nach seinem Gegner suchen musste, doch es war ein recht großes Gebiet zu
durchstöbern. In der menschlichen Gestalt hatte er zwar nicht so viele Rezeptoren, mit denen er den Feind präzise orten konnte, als Leopard aber wäre er ein leichtes Ziel für ein Präzisionsgewehr. Rio war sich ganz sicher, dass der Eindringling den Leoparden erwartete. Er hatte den Vorteil, jeden Zweig und jeden Baum zu kennen, und die Tiere waren an seine Anwesenheit gewöhnt. Ihn würden sie nicht verraten, wohl aber die Position des Fremden. Selbst der Wind stand günstig und trug ihm die Witterung des Feindes zu, während er seine mit sich nahm und fortwehte.
Er kannte den Geruch des Heckenschützen. Es spielte keine Rolle, dass er Menschengestalt angenommen hatte, Rio hatte keinen Zweifel daran, dass der Angreifer derselbe war, der Fritz verletzt hatte. Er war offensichtlich ein ausgebildeter Scharfschütze und konnte die Position seines Ziels gut erraten. Rio lief langsamer, gab der Vorsicht Vorrang vor der Schnelligkeit.
Gleich links unten machte er eine Stelle aus, an der das Laub sich leicht entgegen der Windrichtung bewegte. Sein Feind pirschte sich offenbar näher ans Haus heran, und wechselte die Stellung, falls Rio gemerkt haben sollte, woher der Anschlag gekommen war. Rio schlich hoch oben in den Ästen hinter ihm her und wartete geduldig darauf, einen Blick auf den Mann zu erhaschen. Er brachte sein Gewehr in Position und schaute durch den Sucher. Doch sein Gegner ließ nicht einmal ein Stück Arm sehen, er blieb in der dichten Vegetation und benutzte Sträucher und Blumen und Blätter, um unsichtbar zu bleiben.
Einige Bäume weit rechts vom Haus entdeckte Rio ein Paar glühender Augen im Dickicht. Offenbar war Franz vom Gewehrfeuer angelockt worden und kehrte über den Hochweg aus Ästen nach Hause zurück. Die Blätter
rauschten. Rio fluchte wortreich, legte das Gewehr an und schickte mehrere Patronen in das dichte Blattwerk, in dem sich der Eindringling verborgen hielt, um bei nächster Gelegenheit wieder zum Schuss zu
Weitere Kostenlose Bücher