Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
wüsste nicht, dass wir je über die Eltern meiner Mutter gesprochen hätten. Aber mein Bruder hat mir von den Eltern meines leiblichen Vaters erzählt. Angeblich haben wir sie einmal tief im Dschungel besucht. Er hat Süßigkeiten bekommen, und ich habe auf den Knien meiner Großmutter gesessen. Aber sie starben etwa zur selben Zeit wie mein Vater. Er war auf einer Reise, von der er nie wieder zurückkam.«
»Und dann hat deine Mutter euch fortgebracht?«
»Ehrlich gesagt kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war noch so klein. Das meiste, was ich weiß, habe ich von meinem Bruder. Nachdem mein Vater tot war, hat meine Mutter uns in ein kleines Dorf am Rande des Dschungels gebracht. Dort hat sie meinen Stiefvater kennengelernt. Seine Familie war sehr wohlhabend, sie besaß in der Gegend viel Land und Macht. Wir sind einige Zeit dageblieben und dann in die Vereinigten Staaten gezogen.«
Rachael schaute sich um und ergötzte sich am Anblick und an den Düften des Regenwaldes. Er war wirklich wunderschön mit all seinen farbenprächtigen Pflanzenarten. Schmetterlinge gab es im Überfluss, manchmal bedeckten sie den ganzen Stamm eines blühenden Obstbaums, so dass der allgegenwärtige Farbrausch noch bunter wurde. Der Wald schien so lebendig, Blätter tanzten, Eidechsen und Insekten schwirrten umher, Vögel flatterten von Baum zu Baum. Termiten und Ameisen machten sich den Boden in der Nähe eines großen umgestürzten Baums streitig.
»Wir lebten in Florida auf einem riesigen Anwesen. In einer wunderschönen, wilden Gegend mit Mangrovenwäldern und Sümpfen. Doch es war auch sehr schwül, und es gab viele Alligatoren.« Sie strich Rio das Haar zurück.
»Keiner von uns hat sich je in einen Leoparden verwandelt.«
»Gab es in der Gegend keine Großkatzen? Oder Spuren?«
Rachael legte die Stirn in Falten. »Ja, natürlich gab es Gerüchte über Panther, über den Florida-Puma in den Sümpfen, aber ich habe nie einen zu Gesicht bekommen. In den Cascades halten sich ja auch hartnäckig die Gerüchte über den Bigfoot, obwohl seine Existenz nie bewiesen worden ist. In meiner Familie gibt es keine Raubkatzen.«
»War dein Bruder oft in den Sümpfen?«
Rachaels Glieder versteiften sich. Es wirkte eher wie eine leichte Körperverlagerung, doch Rio war so auf sie eingestimmt, dass er den geringsten Rückzieher bei ihr spürte. Sie wandte das Gesicht ab und schaute auf zu dem filigranen Laub und den grellroten Pilzen und Früchten, die schwer an den Bäumen hingen. Geweihförmige Pilze und farbenprächtige Blütenkelche bedeckten die Baumstämme. Und rund um den Stamm im Wurzelgeflecht wuchsen ganze Felder von großen Pilzhüten aus dem Boden.
»In Florida ist die Feuchtigkeit nicht ganz so hoch wie hier, wird aber dennoch von manchen als drückend empfunden. Außerdem regnet es längst nicht so viel.«
»Ging er oft in die Sümpfe, Rachael?« Rio bemühte sich um einen ruhigen, fast sanften Tonfall. Rachael ließ sich nicht gern drängen. Ihr Leben hatte sie ihm anvertraut, doch das ihres Bruders schützte sie. Wenn er zu viel Druck ausübte, würde sie abblocken.
»Mein Bruder ist sehr weit weg, Rio. Ich möchte ihn nicht hier haben, nicht einmal in Gedanken. Dieser Ort soll frei von ihm bleiben.«
Rio konnte sein Temperament kaum zügeln, schweigend trug er sie über den Schattenteppich tiefer in den Wald hinein. Doch nach einigen Minuten hatte er verstanden. »Du willst ihn nicht hier haben, weil ich hier bin. Du willst ihn nicht in meiner Nähe haben.«
»Er gehört hier nicht hin, Rio. Nicht an diesen Ort und nicht zu uns.« Rachael schaute auf die Schiene an ihrem Handgelenk hinunter. Wahrscheinlich gehörte sie auch nicht zu Rio. Sie war sehr froh, dass sie ihm begegnet war, doch er sollte nicht in Gefahr geraten.
»Manchmal, sestrilla , kommt es mir bei dir so vor, als versuchte ich, Wasser in den Händen zu halten. Du entrinnst mir einfach.«
Rachael schaute ihn aus dunkel schimmernden Augen traurig an. »Ich kann dir leider nicht geben, was du von mir willst.«
»Ehe mein Vater starb, Rachael, hat er meine Mutter gebeten, ihm zu versprechen, dass sie nach seinem Tod mit mir das Dorf verlässt. Er wollte, dass sie sich einen anderen Mann suchte, damit sie mich nicht allein aufziehen musste. Diejenigen, deren Gefährte gestorben ist, würden niemals einen neuen Gefährten aus unserem Volk wählen. Mein Vater hat mehr als einmal mit meiner Mutter darüber gesprochen, aber sie wollte nicht mit einem
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