Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
schließlich genug da. Und dass ich damit umgehen kann, weißt du.«
»Es steckt mehr dahinter, Rachael. Du meinst immer, alles sei deine Schuld. Aber ich treffe meine eigenen Entscheidungen, genau wie du. Ich wollte bei dir bleiben.«
»Weil du ihnen nicht ganz traust?«
Rio zuckte die Achseln. »Im Augenblick vielleicht nicht, nicht was dich anbelangt. Wenn die Ältesten deines Dorfes mit meinen in Kontakt getreten sind und sie gebeten haben, die Todesstrafe zu vollstrecken, ist es möglich, dass meine Ältesten zugestimmt haben. Sie kennen dich nicht, und unsere Gesetze sind sehr streng. Manche würden sie vielleicht sogar als zu hart bezeichnen.«
»Du glaubst tatsächlich, dass ich so etwas wie eine Gestaltwandlerin bin, oder? Aber ich kann keine andere Form annehmen. Ich habe darüber nachgedacht und es probiert, nur um zu sehen, ob du Recht hast, aber es ist nichts passiert. Ich bin immer noch ich.«
»Hör mir nur einen Moment zu, Rachael. Nehmen wir einmal an, deine Mutter hat dich und deinen Bruder aus ihrem Dorf weggebracht. Sie wollte den Frieden nicht stören, aber sie fühlte sich zu jung, um den Rest ihres Leben allein zu bleiben, und entschloss sich also, ihr Erbe aufzugeben und in Zukunft nur in ihrer menschlichen Gestalt zu leben.«
Rachael lehnte den Kopf an die Wand der kleinen Badewanne, die Rio aus einem verschlossenen Schuppen in der Nähe geholt und mühsam mit heiß gemachtem Wasser gefüllt hatte. Die Dunkelheit breitete sich langsam über
den Dschungel und die Nachttiere erwachten wieder zum Leben. »Schon möglich, dass sie so gedacht hat.«
»Dann traf sie deinen Stiefvater.«
»Antonio.«
»Sie traf Antonio. Er war attraktiv, wohlhabend und ausgesprochen nett. Er hat sie umworben, und sie hat sich in ihn verliebt und ihn geheiratet. Sein Haus lag am Rande des Waldes, der jeden Abend nach ihr rief. Nacht für Nacht. Das Han Vol Don, die Verwandlung, lockte wispernd. Schließlich begann sie, sich wegzuschleichen und im Wald herumzulaufen, wie wir es eben gerne tun. Antonio wacht nachts auf, und seine Frau ist weg. Er liegt allein im Bett. Was glaubst du, was der gute Mann denkt?« Rio half Rachael beim Aufstehen und wickelte sie in ein Handtuch. Als er sie aus der Wanne hob, beugte er sich zu ihr hinunter und leckte einen Wassertropfen ab, der über ihren Nacken rann. »Er denkt das, was alle Männer denken würden. Dass seine wunderschöne Frau ihn betrügt. Deshalb beobachtet er sie.«
Rachael schauderte beim Klang seiner Stimme. »Okay, aber mach’s nicht so dramatisch. Wenn du es darauf anlegst, kannst du einem ganz schön Angst einjagen.«
»Ich habe nur darüber nachgedacht, wie ich mich fühlen würde, wenn du dich aus dem Bett stehlen und dich mit einem anderen Mann treffen würdest.«
»Dann hör auf damit. Offenbar hast du eine ausgesprochen lebhafte Fantasie. Und falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, dir wachsen die Klauen gerade aus den Fingerspitzen.«
Erstaunt schaute Rio auf seine Hände und stellte fest, dass Rachael Recht hatte. Seine Finger waren gekrümmt, und sein hitziges Temperament hatte messerscharfe Krallen
hervortreten lassen - dick, gebogen und gefährlich -, die durch Muskeln, Bänder und Sehnen bei Bedarf rasch aus- oder eingefahren werden konnten. Sein Stirnrunzeln wich einem trockenen Lächeln. »Ich bin nicht sehr zivilisiert, nicht wahr?«
»Ich schätze, das Wilde kann man dir nicht austreiben.«
»Aber du hast keine Angst gehabt, sestrilla , das sollte dir etwas sagen. Jede normale Frau wäre entsetzt, wenn sie einen Mann mit Krallen sähe.«
Rachael saß auf der Bettkante und betrachtete ihn, ein Lachen lag in ihren Augen. »Willst du behaupten, ich sei nicht normal? Ich glaube, das hast du mittlerweile schon mehrfach angedeutet. Es kommt mir ein bisschen so vor wie in dem alten Spruch ›Ein Esel schimpft den anderen Langohr‹. Verglichen mit dir bin ich völlig normal.«
»Ich halte mich auch für völlig normal, Rachael, und ich bin immer mehr davon überzeugt, dass du genauso bist wie ich. Ich nehme an, dass dein Stiefvater gesehen hat, wie deine Mutter sich verwandelte. Er hat sie geliebt, und daher hat es ihm nichts ausgemacht. Vielleicht hat sie damit sogar seine Bewunderung erregt. Doch falls die Ältesten in ihrem Dorf herausgefunden haben, dass er es wusste, dass er als Mensch Bescheid wusste, hätten sie sie verbannt oder, schlimmer noch, ihn zum Tod verurteilt.«
»Kim und Tama wissen doch auch
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