Wilde Magie - Wilde Magie - Fever / Wild Rain
Schrank inspizierte. Während er ihr den Rücken zukehrte, nahm sie das Messer unter dem Stuhlkissen fort und steckte es zurück in die Scheide. Dann räumte sie so unauffällig wie möglich die anderen Waffen beiseite.
»Sie halten nicht viel von mir, nicht wahr?«, fragte der Älteste und begann, das Gemüse zu schneiden.
Rachael nahm ein zweites Messer und kam ihm zu Hilfe. »Nein, einen Menschen in die Verbannung zu schicken, halte ich nicht für besonders weise. Ich würde es eher scheinheilig nennen, wenn Sie mich fragen, was Sie aber genau genommen nicht getan haben, daher sollte ich meine Meinung besser für mich behalten.« Rachael hackte eine Tomate in winzig kleine Stücke. Rasant klopfte die Schneide des Messers auf das Holzbrett, ganz im Rhythmus ihrer Wut.
Delgrotto hörte auf, die wilden Pilze zu zerteilen, die er sich vorgenommen hatte. »Sie können aber mit dem Messer umgehen«, bemerkte er.
»Sie würden sich wundern, was ich alles mit diesem Ding kann. Küchenarbeit ist manchmal verdammt langweilig, dann suchen wir Frauen uns einfach etwas, auf das
wir mit Messern werfen können. Das ist ein Volkssport in Südamerika.« Sie grinste affektiert. »Wenn der Küchenchef sich schlecht benimmt, kriegt er auch etwas ab.«
»Ah ja.« Delgrotto lüpfte eine Augenbraue. »Was betrachten Sie denn als schlechtes Benehmen, nur damit ich keinen Fehler mache.«
»Oh, Sie dürfen sich so schlecht benehmen, wie Sie wollen, denn Sie stehen bereits auf meiner Liste böser und schlechter Menschen. Ich glaube, Ihren Namen habe ich sogar mehrfach unterstrichen.« Rachael hämmerte auf eine Zwiebel ein, bis nur noch Brei von ihr übrig war.
»Aber ich bin nicht böse, meine Liebe. Vielleicht habe ich im Leben den ein oder anderen Fehler gemacht, doch ich glaube nicht, dass ich je böse war.«
Rachael zuckte die Achseln. »Solche Urteile sind doch subjektiv. Es hängt immer vom Standpunkt ab. Während Sie sich für einen guten Menschen halten, sind Sie für jemand anders womöglich ein wahrer Teufel.«
Delgrotto hielt inne und sah fasziniert zu, wie sie mit aberwitziger Geschwindigkeit das restliche Gemüse zerlegte. »Ich schätze, Sie haben Recht. Wenn man den Blickwinkel ein klein wenig verändert, kommt man gleich zu einem anderen Ergebnis. Woher stammen Sie? Offenbar sind Sie eine von uns.«
Rachael ließ das Messer ruhen und schaute ihn an. Eine kleine Pause entstand. Nur das Trommeln des Regens auf dem Dach war zu hören. Selbst der Wind legte sich und hielt den Atem an. Delgrotto sah die Wut in ihren Augen. Und in ihrem Herzen. »Ich gehöre ganz bestimmt nicht zu Ihnen. Ich werde nie zu Ihnen gehören. Menschen, die Gott spielen, mag ich nicht, weder in diesem Leben noch in einem anderen.«
»Glauben Sie, das haben wir getan?« Sein Ton war milde.
Rachael ließ das Messer fallen und ging auf Abstand, sie stellte sich an die Tür und schaute in die Dunkelheit. Sie konnte sich und ihren aufbrausenden Zorn kaum noch zügeln in der Nähe des Mannes, der sich angemaßt hatte, Rio so hart zu bestrafen. Gern hätte sie dem alten Mann ihren Onkel vorgestellt, damit er einmal einen richtig bösen Menschen kennenlernte, sah wie ein wirklich schlechter Mensch eigentlich war.
Rachael atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Ihre schlechte Laune begann, auf den kleinen Leoparden unter dem Bett abzufärben. Fritz zeigte fauchend die Zähne, verhielt sich aber ruhig. Sie schaute auf den Waldboden hinunter. Irgendwo da unten lief Rio, so schnell er konnte, verbrauchte jedes Quäntchen Energie, das er hatte, und riskierte sein Leben, um ein Kind zu retten. Dabei hatte der Großvater des Kindes ihn zu einem Leben in Verbannung verurteilt.
»Sie glauben, wir nutzen Rio aus.« Delgrottos Stimme klang vollkommen tonlos, verriet weder Ärger noch Ablehnung. Oder Reue.
»Selbstverständlich nutzen Sie ihn aus. Oder was machen Sie gerade? Sie kamen her und wussten, dass er nicht zögern würde. Wussten, dass er für Ihren Enkel alles riskieren würde. Sie kannten seinen Charakter, als sie ihn verurteilten, doch Sie haben es trotzdem getan. Sie haben ihm das Joch der Verantwortung aufgebürdet und ihn an eine Gesellschaft und an Menschen gefesselt, die sich seiner bedienen, aber nicht mit ihm verkehren wollen, und keinen Finger rühren, um ihm zu helfen. Sie brauchen ihn und seine Fähigkeiten, wollen Ihre ach so perfekte Gemeinschaft
aber nicht durch seine Anwesenheit beschmutzt wissen.«
Tränen brannten in ihren Augen.
Weitere Kostenlose Bücher