Wilde Rose der Prärie
als hätte ich keinen guten Moment erwischt", sagte Holt Cavanagh. Holt bewahrte die Wildkatze vor einem Sturz, indem er ihre schmalen Schultern zu fassen bekam. Seit ihrer ersten Begegnung hatte sie sich umgezogen, doch ihr schwarzes Haar verströmte noch immer einen Hauch von Brandgeruch. „Holt McKettrick", stellte er sich vor, als sie ihn mit ihren kornblumenblauen Augen ansah, in denen vergeblich zurückgehaltene Tränen schimmerten. Ihre Wimpern waren voll und noch dunkler als ihr Haar, und die Lippen ... Nein, denk bloß nicht über ihre Lippen nach.
„Ich dachte, Sie heißen Cavanagh", wandte sie ein.
„Das waren nicht meine, sondern Gabes Worte. Ich habe mich früher so genannt." Sie hob eine wohlgeformte Braue. „Haarspalterei", gab sie unwirsch zurück, dann fuhr sie in forderndem Ton fort: „Was wollen Sie von mir?" Ihm fiel auf, dass sie nicht versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen. Gleichzeitig wurde ihm ganz am Rand bewusst, wie wenig Interesse er wiederum verspürte, sie loszulassen. Wie eigenartig, ging ihm durch den Kopf.
„Eigentlich", antwortete er und ließ nur widerstrebend die Arme sinken, „bin ich hier, weil ich zu Ihrem Vater möchte."
„Dann möge Gott Ihnen beistehen", bemerkte sie, drängte sich an ihm vorbei und eilte die breite, geschwungene Treppe hinauf.
Das ist ja eine beachtliche Hazienda , dachte Holt beiläufig.
„Ich glaube, Ihre Bekanntschaft habe ich bislang nicht gemacht, Mr. McKettrick", hörte er rechts von sich einen Mann sagen. „Sind Sie ein Freund meiner Tochter? Falls ja, können Sie sie vielleicht zur Vernunft bringen."
Richter Fellows stand im Durchgang zu einem Zimmer, bei dem es sich vermutlich um sein Büro handelte. Er war um die sechzig, hatte verschlagene Augen, trug einen Backenbart und einen gut sitzenden Anzug. Irgendwo oben wurde eine Tür zugeknallt, was Fellows zusammenzucken ließ.
Holt machte sich nicht die Mühe, ihm die Hand zu reichen. „Ich habe Ihre Tochter heute zum ersten Mal gesehen", erklärte er geradeheraus. „Ich bin wegen Gabe Navarro hier."
„Dem Indianer." Fellows kniff die Lippen zusammen.
„Dem Texas Ranger", korrigierte ihn Holt, der sich nicht anmerken ließ, wie er sich innerlich versteifte.
Der andere Mann zuckte mit den Schultern. „Ich fürchte, Mr. Navarros einstiger Ruhm - worauf der sich auch immer begründen mag - wurde bedeutungslos, als er diesen Siedler und dessen Frau ermordete. Er hat sie mit einem Bowiemesser abgeschlachtet und dann noch ihre Pferde mitgenommen."
„Er hat niemanden ermordet", beteuerte Holt. „Und er ist auch kein Pferdedieb."
„Ihre eigene Meinung ist Ihr gutes Recht, Mr. McKettrick", erklärte Fellows mit gespieltem Bedauern. „Aber wie ich bereits sagte, hat Ihr Freund über sein Schicksal selbst entschieden. Das Messer, mit dem die armen Seelen in Stücke geschnitten wurden, gehört ihm, und die Pferde wurden vor dem Schuppen gefunden, den er als sein Zuhause bezeichnet."
Holt machte sich nicht die Mühe, dem Mann zu widersprechen. Er war von seiner Meinung überzeugt, und dagegen konnte Holt nichts ausrichten. Allem Anschein nach war Richter Fellows genauso unvernünftig und aufbrausend wie seine Tochter. „Wer hat ihn denn bei dem Verfahren verteidigt?"
„Creighton Bannings", antwortete der Richter und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Veranda, die durch die Bleiglasfenster seines Büros zu sehen war. „Da kommt er gerade."
Holt drehte sich um und stutzte. Bannings? Woher kannte er diesen Namen? Die Antwort befand sich irgendwo in seinem Kopf, jedoch kam er nicht darauf. Es wurde kurz und der Form halber angeklopft, dann trat Bannings ein, während er gleichzeitig an seiner Fliege zupfte. Der Mann war so groß wie Holt, aber dünner, seine unübersehbar teure Kleidung war gründlich zerknittert. Das Gesicht, das zart geschnitten und schon eine Spur zu hübsch war, kam ihm so vertraut vor wie der Name, trotzdem konnte er den Mann nicht einordnen. „Holt McKettrick", stellte er sich vor.
„Ich kannte Sie als Holt Cavanagh", erwiderte Bannings und streckte ihm die Hand entgegen, die Holt nach kurzem Zögern schüttelte.
„Ich nehme an, ich sollte mich auch an Sie erinnern", bemerkte er schließlich. „Aber ich bedauere, es will mir nicht gelingen."
Bannings lächelte und ließ seine zwar weißen, aber schiefen Zähne sehen. „Wir sind mal bei einer Tanzveranstaltung wegen eines Mädchens in Streit geraten. Ich glaube, wir müssen damals sechzehn
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