Wilde Rose der Prärie
und hielt sich am Geländer der Veranda fest, ein schwacher Wind spielte mit ihrem dunklen Haar.
„Denkst du, du könntest einen Mann wie mich lieben?", hörte er sich selbst sagen. Niemand konnte über diese Frage mehr staunen als er selbst. Ihre Lippen bebten leicht, Tränen standen ihr in den Augen. „Ja", antwortete sie. Holt saß ab und kam näher, bis er vor dem Blumenbeet stehen blieb, das so wie viele andere kleine Dinge auf der Ranch Tillies Werk war und noch lange an sie erinnern sollte. Er hob den Kopf und sah Lorelei an. „Die Reise bis nach Arizona ist sehr strapaziös", warnte er sie mit ruhiger Stimme.
„So was bin ich gewöhnt", erwiderte sie lächelnd. „Liebst du mich, Holt McKettrick?" Er grinste sie an. „Oh ja, Ma'am, das glaube ich allerdings." Sie ging weiter an dem Geländer entlang, als sei sie sich nicht sicher, ohne diesen Halt stehen zu können. Dann auf einmal stürmte sie die Stufen hinunter und fiel ihm um den Hals.
Laut lachend drehte er sich mit ihr im Kreis und gab ihr einen Kuss. Es war ein ganz normaler Kuss, aber zugleich veränderte er etwas in Holt. Es schmerzte wie bei einem gebrochenen Knochen, der endlich gerichtet wurde.
„Es wird nicht leicht sein, meine Frau zu sein", erklärte er ihr, als er das Gefühl hatte, wieder etwas sagen zu können, ohne sich völlig zum Narren zu machen. „Das muss es für mich auch nicht sein", erwiderte sie ganz leise. „Das höre ich gern."
Rafe und Frank waren zurückgekehrt und grinsten ihn dämlich an. Heddy und John kamen mit Gabe, Melina und ihrem Baby auf die Veranda. Auch der Captain war plötzlich da und hielt den kleinen John Henry in den Armen. Lorelei ließ Holt los und ließ sich vom Captain den Jungen geben, was der lächelnd, wenn auch ein wenig widerstrebend tat.
„Ich hole deine Sachen", sagte Heddy zu Lorelei, sah dabei aber zu Holt. „Ich hatte alles für den Fall gepackt, dass dieser Dickschädel noch zur Vernunft kommt."
„Ich sattel den Maulesel", warf Gabe ein und ging zur Scheune. Alles lief so schnell ab, als wäre ein Tornado über sie hinweggezogen. Eben noch hatte Holt zusammen mit Frank und Rafe als seine einzigen Begleiter in Richtung Triple M reiten wollen, und jetzt war die Gruppe plötzlich um eine Frau und ein Kind bereichert worden.
Lorelei hakte sich bei ihm unter, hielt aber weiter John Henry fest. „Du bist ein unmöglicher Mann, Holt McKettrick", sagte sie. „Aber so wahr mir Gott helfe, ich liebe dich mit Herz und Seele. Wenn du an meiner Seite sein möchtest, dann möchte ich an deiner sein."
Erneut küsste er sie. „Abgemacht", sagte er.
Epilog
Die Triple M Ranch,
30. September 1888
Angus McKettrick war ein großer, grauhaariger und breitschultriger Mann. Er stand in der Tür seiner Ranch und strahlte, als er die müden Reiter den schmalen Fluss durchqueren sah.
Sein Blick erfasste seine beiden Söhne, die triefendnass ans Ufer kamen, dann schaute er zu Lorelei auf ihrem Maulesel, die den kleinen John Henry sicher im Arm hielt.
„Soll ich einen Priester kommen lassen?", fragte er. Lorelei wurde warm ums Herz, als sie das freudige Funkeln in seinen Augen bemerkte.
Lachend schwang Holt sich aus dem Sattel. „Wir sind längst verheiratet", antwortete er. „Lorelei, das ist dein Schwiegervater. Pa, meine Ehefrau." Angus schlug sich mit dem Hut auf den Oberschenkel, sein faltiges Gesicht verzog sich zu einem strahlenden Lächeln. „Das sind die besten Neuigkeiten, die du mir bringen konntest. Und wer ist der Junge?"
„Das ist John Henry", stellte Lorelei ihn vor, als Angus zu ihr kam. Er streckte seine Arme aus, und der Junge ließ sich bereitwillig von ihm übernehmen. „John Henry McKettrick", ergänzte Holt.
Angus warf seinem Sohn einen fragenden Blick zu, auch wenn seine Aufmerksamkeit weiter dem Jungen galt.
„Er hat seine Familie bei einem Überfall der Komantschen verloren", berichtete Holt. „Dann hat er jetzt eine neue", meinte Angus und drückte den Jungen fester an sich. Als er Frank zunickte, machte Holt die beiden ebenfalls miteinander bekannt. Rafe rutschte in seinem Sattel hin und her. „Ist Emmeline da?", fragte er und sah dabei zu dem Haus am gegenüberliegenden Flussufer.
„Sie ist zusammen mit den anderen Frauen in der Stadt, Lizzie eingeschlossen", ließ Angus ihn wissen und betrachtete die Schlinge um Rafes Arm. „Was ist mit deinem Arm passiert?"
„Ist eine lange Geschichte", erwiderte er nur. „Denkst du, die Frauen werden bald
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