Wilde Rose der Prärie
würde!", schluchzte sie. „Mir wurde so viel vorenthalten ..." Holt küsste sie sanft auf den Mund, dann küsste er ihre Tränen weg. Als er ihr in die Augen sah, lächelte er. „Dann darf ich darauf schließen, dass du weinst, weil ich dich nicht schon früher geliebt habe."
Zorn wurde in ihr wach und versengte das Mark in ihren Knochen. „Du bist ein arroganter ..."
Er lachte nur und küsste sie weiter. „Oder vielleicht meinst du, es wäre mit jedem Mann genauso wie mit mir."
Ihre Augen wurden größer. Wenn nicht sein Gewicht sie auf die Matratze gedrückt hätte, dann wäre sie mit den Fäusten auf ihn losgegangen. „Wie kannst du nur ..." Er bekam ihre Handgelenke zu fassen und drückte ihre Arme sanft aufs Kissen. „Beruhige dich", flüsterte er amüsiert. „Für mich ist es auch noch nie so schön gewesen wie mit dir."
„Und du meinst, jetzt fühle ich mich sofort besser?"
Ohne ihre Handgelenke loszulassen, bewegte er sich ein Stück weit nach unten und ließ seine Zunge um ihre Brustwarze kreisen. „Nicht sofort", antwortete er. „Aber gleich."
Sie war allein in ihrem Bett, in dem sie in der letzten Nacht entweder einen bis dahin unbekannten Teil ihres Ichs gefunden oder aber den größten Fehler ihres Lebens begangen hatte. Noch bevor sie die Augen aufschlug, wusste sie, dass Holt nicht bei ihr war.
Eigentlich hätte sie völlig erschöpft sein müssen, wenn sie überlegte, wie sehr sie sich in der Nacht verausgabt hatte, doch stattdessen verspürte sie eine seltsame Freude. Als wäre sie all die Jahre in ihrem eigenen Ich gefangen gewesen und nun durch Holt befreit worden - aber nicht durch Werben, Schmeicheln oder beharrliche Überredungskünste. Oh nein, er hatte sie vielmehr aus ihrem Versteck getrieben, und nach dorthin gab es jetzt kein Zurück mehr. Draußen im Hof krähte ein Hahn.
Lorelei setzte sich im Bett hin und biss sich ratlos auf die Unterlippe.
Und jetzt?, fragte sie sich. Würde außerhalb dieses Zimmers zwischen ihr und Holt irgendetwas anders sein? Würden sie immer noch skeptische Verbündete sein oder Todfeinde?
Er hatte nichts davon gesagt, dass er sie liebte.
Dass sie etwas für ihn empfand, daran zweifelte sie nicht. War es etwa Liebe? Seltsam, aber vor der letzten Nacht hätte sie zu allem ganz genau sagen könnte, wie sie darüber dachte. Aber ... Liebe? Warum hatte sie es dann nicht sofort erkannt? Immerhin wusste sie bei Michael Chandler auch, dass sie ihn liebte. Sie hatte ihn doch geliebt, oder?
Jemand klopfte an die Tür, Lorelei drückte sich an das Kopfbrett ihres Betts und zog das Laken bis zum Kinn hoch. „Wer ist da?"
„John Cavanagh, Miss Lorelei", kam die verhaltene Antwort. „Wir sind alle längst bereit zum Aufbruch. Holt sagt, Sie sollten sich besser beeilen, wenn Sie nicht hier zurückbleiben wollen."
Sie warf die Decke zur Seite und war mit einem Satz aus dem Bett, wo sie Hose und Hemd vom Boden aufsammelte. „Warum hat mich niemand früher geweckt?", rief sie, während sie sich abmühte, die Hose überzustreifen. Zum Beispiel Holt McKettrick!
„Das weiß ich nicht, Miss Lorelei", sagte John durch die Tür. „Ich weiß nur, dass Holt heute Morgen ziemlich unwirsch ist. Sie sollten sich besser beeilen. Ich werde versuchen, ihn so lange wie möglich hinzuhalten." Mit hochrotem Kopf saß Lorelei auf der Matratze - auf der sie sich in der vergangenen Nacht wie eine wollüstige Närrin gebärdet hatte - und zog hastig die Schuhe an. Am Abend würde sie Blasen an den Füßen haben, aber ihr fehlte die Zeit, um erst noch Strümpfe überzuziehen. „Danke", entgegnete sie mürrisch und fasste ihren Haarschopf, um ihn unter den Hut zu schieben. Wenn sie erst mal auf Seesaw saß, konnte sie sich immer noch ihrem Zopf widmen. Keine fünf Minuten später kam sie nach unten gestürmt. Rafe hatte in der Zwischenzeit ihren Maulesel gesattelt und warf ihr einen mitfühlenden Blick zu, als sie zu ihm gelaufen kam.
„Das Frühstück dürften Sie wohl verpasst haben", meinte er, nachdem sie aufgesessen hatte.
Das Frühstück war nur eine Sache, die sie verpasst hatte. Ihr war auch keine Gelegenheit geblieben, das Klosett zu benutzen oder sich die Zähne zu putzen. Hätte ihr John Cavanagh nicht Feuer unter dem Hintern gemacht, würde sie jetzt noch wie ein berauschtes Schulmädchen träumend in diesem Federbett liegen. „Das wird schon gehen", gab sie zurück.
Rafe zurrte ihr Gepäck hinter dem Sattel fest. „Melina hat Ihnen etwas zu essen
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