Wilde Rose der Prärie
mitgenommen. Es ist in ein Küchentuch gewickelt", ließ er sie wissen, dann tippte er an seinen Hut und ging zu seinem Pferd.
Unterdessen ritt Holt auf seinem großen Appaloosa vor der versammelten Truppe auf und ab, als sei er Santa Ana, der gleich den Sturm auf das Fort Alamo befehlen wollte. In diesem Moment konnte die in Texas geborene und aufgewachsene Lorelei ihn so wenig leiden wie jenen mexikanischen General. Holt wies den Cowboys ihre Plätze rings um die Herde zu. Lorelei rechnete fest damit, so wie am Tag zuvor die Nachhut bilden zu müssen. Na, dann sollte er ihr eben das Schlechteste geben, was er zu bieten hatte. Lieber würde sie eine Tonne Staub einatmen, bevor sie ihm verriet, was sie fühlte.
In Zweiergruppen ritten die Viehtreiber zu ihrer jeweiligen Position, aber Loreleis Name war noch immer nicht gefallen. Sie saß auf Seesaw, den Rücken stolz durchgedrückt, die Schultern gestrafft, und wartete. John war mit seinem Wagen dicht bei ihr, Melina saß neben ihm auf dem Bock, aber die beiden hätten ebenso gut in Kansas City sein können, denn Lorelei fühlte sich völlig allein und verlassen. Zu ihrer Überraschung kam Holt angeritten, zog seinen Hut und betrachtete sie wegen der Sonne mit zusammengekniffenen Augen. „Freut mich, dass Sie sich uns noch anschließen konnten, Miss Fellows."
Sie wagte es nicht, etwas zu erwidern, da sie fürchtete, sich dadurch zum Narren zu machen. Also saß sie einfach weiter da auf ihrem dummen Maulesel und wünschte, sie hätte in der letzten Nacht ihr Bett mit einer Klapperschlange geteilt, nicht aber mit Holt McKettrick.
„Holt", rief John ihm womöglich aus Mitleid zu, „wir sollten die Herde in Bewegung bringen."
Er richtete sich auf und setzte übertrieben umständlich seinen Hut wieder auf. Schließlich sagte er mit sanfter Stimme zu ihr: „Bleiben Sie beim Wagen. John wird beim ersten Anzeichen von Indianern stoppen und Ihnen ein Gewehr geben. Wenn das passiert, dann bringen Sie sich unter dem Wagen in Sicherheit und schießen Sie, wenn es erforderlich wird."
Am liebsten hätte Lorelei geheult, und das nicht nur wegen ihrer Angst vor den Komantschen. Fast die ganze Nacht hindurch hatten sie und Holt sich geliebt, er kannte ihren Körper inzwischen fast besser als sie selbst, und nun benahm er sich ihr gegenüber, als würden sie sich kaum kennen. Aber es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie ihn merken ließ, wie sehr ihr das zu schaffen machte. „Holt", wiederholte John nachdrücklicher, „lass die Frau in Ruhe und kümmere dich lieber um die Herde."
Er drehte sich im Sattel zur Seite und salutierte vor Mr. Cavanagh. „Jawohl, Sir", erwiderte er gut gelaunt und ritt davon.
Erst als sich der Wagen in Bewegung setzte, wagte Lorelei es, sich wieder zu rühren. Dann trieb sie Seesaw an, damit sie nicht den Anschluss verlor und auf gleicher Höhe mit Melina ritt.
Die braunen Augen ihrer Freundin leuchteten verständnisvoll. Eine Hand fest um ihren Sitz geklammert, beugte sich Melina herüber, um Lorelei das Essen zu geben, von dem Rafe gesprochen hatte.
Lorelei fühlte sich ausgehungert, doch sie fürchtete auch, dass sie ersticken würde, wenn sie versuchen sollte, auch nur einen Bissen zu schlucken. Den in ein Tuch gewickelten Proviant nahm sie daher vor allem nur deshalb an, weil sie fürchtete, Melina könnte den Halt verlieren und vom Wagen stürzen. „Danke", brachte sie heraus.
„Iss etwas, Lorelei", drängte ihre Freundin und hob die Stimme, um den Lärm der Rinder zu übertönen. „Es wird ein sehr langer Tag werden." Sie nickte betrübt. In dem Moment, als sie das Butterbrot und den frischen Ziegenkäse aus dem Tuch wickelte, legte sich bereits eine dünne Staubschicht darüber. „Wir werden wohl der Herde folgen müssen", sagte sie und verzog das Gesicht, dann biss sie von dem staubigen Brot ab. Noch während sie sprach, galoppierten Holt und Rafe voraus, während der Captain und ein weiterer Mann ihr Tempo beibehielten, einer ganz rechts, einer links.
John folgte ihnen mit seinem Wagen, und als Lorelei über die Schulter schaute, stellte sie fest, dass die Reiter an der Spitze gut hundert Meter hinter ihnen waren. Die Herde in ihrem Rücken glich einem Meer aus Beinen und Hörnern, über dem eine immense Staubwolke aufstieg.
„Hindern wir sie nicht an einem höheren Tempo", wollte sie von Melina wissen, nachdem sie sich etwas Käse mit dem Hemdsärmel abgewischt hatte, „wenn wir vor ihnen reiten?"
„Wärst du
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