Wilde Rosen auf Mallorca
einen Schritt zurück. “Lippenstift?”
“Mein Gott, bist du naiv!” sagte er verächtlich, während er in das Zimmer drängte. “Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass ich an all diesen Abenden, an denen ich aus war, Geschäftsessen hatte, oder?” Er schaute sie mitleidig an.
Natürlich hatte sie ihm geglaubt. Warum hätte sie das denn nicht tun sollen?
“Arme naive Juliet!” Simon schloss eine Hand um ihre blassen Wangen. Seine Finger pressten sich schmerzhaft in ihre weiche Haut. Sein Gesichtsausdruck wurde plötzlich wild, und ihr wurde übel von dem Geruch von Alkohol, den er getrunken hatte. “Ich mag zwar dem alten Herrn einen Gefallen tun, indem ich dich heirate”, rief er höhnisch, “aber das bedeutet nicht, dass ich den Zauber anderer Frauen nicht unendlich attraktiver fände. Es gibt schließlich eine Menge hübscher Frauen, die entgegenkommend sind. Unglücklicherweise hatte ich heute Pech, so dass ich mich mit dir begnügen muss!” Er zog sie grob an sich und küsste sie heftig.
Juliet war so erschüttert, dass sie nicht klar denken konnte. Simon heiratete sie, um seinem Vater einen Gefallen zu tun? Andere Frauen? Gott, sie …
“Um Himmels willen, Juliet!” Simon sah sie verdrossen an. “Es ist schlimm genug, dass ich dich überhaupt heiraten muss. Du könntest zumindest ein bisschen Reaktion zeigen, statt dich wie ein Stück Holz zu verhalten!”
Sie konnte jetzt das Blut in ihrem Mund schmecken. Er hatte seinen Mund so wild auf ihren gedrückt, dass ihre Oberlippe geplatzt war. Und sie war von solchem Ekel erfüllt, dass sie sich am liebsten übergeben hätte. Sie stieß gegen ihn, versuchte verzweifelt, sich aus seinem festen Griff zu befreien, schlug mit den Fäusten gegen seine Brust.
Seine Augen glitzerten, als er sie wieder von oben bis unten musterte. Er hielt ihre Handgelenke fest umschlossen. “Du willst es also auf die harte Tour?” sagte er triumphierend. “Das ist mir recht, Juliet. Ich mag Frauen mit Schwung.”
“Ich hasse dich!” Liebe hatte sich in Sekundenbruchteilen in Hass verwandelt – grausame, schmerzhafte Sekunden, die sie zu zerstören drohten. Sie wollte nur fort – von Simon, von dem Schmerz, den er ihr zufügte.
“Dann hasse nur, Juliet!” Simon grinste. “Wahrscheinlich werde ich es mehr genießen, wenn du es tust.”
Was folgte, war ein Albtraum. Ihr Nachthemd wurde von ihrem Körper gerissen. Eine tiefe Abscheu stieg in ihr auf. Juliet war sich ihrer Schreie erst bewusst, als die Schlafzimmertür aufgestoßen wurde und William im Türrahmen stand.
Er erfasste in Sekundenschnelle, was vorging – sah ihre Furcht, ihren Zustand, Simons höhnisch-trotziges Verhalten –, und er kam, um den jungen Mann aus dem Zimmer zu zerren. Ihre erhobenen Stimmen erfüllten nun das Haus.
Dann herrschte plötzlich Stille.
Und Simon lag tot am Fuß der Treppe …
Juliet hatte das Gefühl, als ob das Widerdurchleben dieser entsetzlichen Augenblicke ein ganzes Leben gedauert hätte. Aber sie wusste, dass es nur eine Welle von Bildern, von Erinnerungen gewesen war, dass nur Sekunden vergangen waren, seitdem sie die Augen geschlossen hatte.
Doch sie konnte es nicht ertragen, diese Augenblicke wieder zu erleben. Nicht in Janets Gegenwart. Und sicher schon gar nicht in Liams.
Sie stand plötzlich auf und stürmte aus dem Raum, ignorierte Janets besorgten Schrei, Liams Ruf. Sie rannte einfach nur, rannte immer weiter.
Und Juliet rannte weiter – aus dem Haus, aus dem Bezirk, aus dem Land.
Nach Mallorca.
Zum Carlyle Hotel. Dies war der Ort, an dem jemand sie wohl zuallerletzt suchen würde. Falls überhaupt jemand nach ihr suchte. Was sie bezweifelte.
Zum ersten Mal seit Jahren schien es, als könne sie sich völlig entspannen, als sei die Dunkelheit der Vergangenheit genau dort, wo sie hingehörte – in der Vergangenheit. Irgendwie hörte sie während der nächsten zehn Tage voller Sonnenschein und Ruhe auf, ihre Last zu sein. Sie musste sie nicht länger tragen. Es war jetzt Liams Last. Ebenso wie “Carlyle Properties”.
Das Einzige, was Juliet seit ihrer Rückkehr nach Spanien getan hatte, war, den Anwalt in England anzurufen und ihn anzuweisen, die nötigen Papiere vorzubereiten, so dass die Firma Liam komplett überschrieben werden konnte. Sie hatte auch Anweisung gegeben, das Haus auf Janet zu überschreiben. Die ältere Frau hatte sicher mehr Anrecht darauf. Juliet würde nichts mehr mit der Familie Carlyle zu tun haben.
Sie wollte, dass
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