Wilde Rosen: Roman (German Edition)
habe etwas zu essen gemacht, nur ist es vermutlich nicht das, was Sie und Ihre Gäste erwarten.«
»Ich nehme nicht an, daß Wein kalt gestellt ist?«
May hatte die größten Bedenken wegen ihres Essens und hatte so viele Weißweinflaschen in den Kühlschrank gelegt, wie nur hineinpaßten. Dann hatte sie ein paar Flaschen Rotwein geöffnet. »Ein ganzer Kühlschrank voll«, erwiderte sie triumphal.
Marcus entspannte sich sichtlich. »Und hat meine Frau Sie gefragt, ob Sie hierbleiben und auftragen können? Sie können verlangen, was immer Sie wollen.« Er lachte. »Ich kann Sie als Betriebsausgabe absetzen.«
»Tja, ich bin schrecklich müde. Aber könnten Sie mich vielleicht gleich bezahlen? In bar?« Plötzlich sah es so aus, als sollte sie für ihre harte Arbeit wirklich belohnt werden.
»Natürlich. Und ich gebe Ihnen Geld für ein Taxi nach Hause.«
»Aber ich wohne in Central London.«
»Egal. Wir bestellen ein Taxi, das Sie in der Sekunde abholt, wo das Dessert auf dem Tisch steht. Sie brauchen nicht mehr abzuräumen oder Kaffee zu kochen. Das wäre also geregelt.« Und damit verschwand er im Badezimmer im Erdgeschoß.
Zwei Minuten später hörte May ein seltsames Donnern, begleitet, so schien es, von sturmgepeitschten Regengüssen. Ihr Bootbewohnerinstinkt löste für einen Augenblick eine Panik aus, aber dann ging ihr auf, daß hier keineswegs ein Schleusentor gebrochen war, es war lediglich die luxuriöse Hochleistungsdusche, die Entspannung und Wohlbefinden in Marcus Stockbridges männliche Schultern massierte.
Ergeben band May sich eine Plastikschürze um, die einzige, die sie hatte finden können, die sauberer war als ihre fettbespritzten Jeans. Sie hätte so eine heiße Dusche selbst sehr gut vertragen können, sie sehnte sich danach. Es würde noch Stunden dauern, ehe sie nach Hause kam, und dann würde ihr Lohn lediglich aus einem kümmerlichen, lauwarmen Strahl bestehen, von dem man nicht mal richtig naß wurde. Aber der Gedanke an das Geld gab ihr Kraft. Wenn sie ihr fünfzig Pfund gaben, hätte sie die hundert für Mike zusammen, schon einen Tag nachdem er sie verlangt hatte.
Clorinda schwebte in die Küche. Sie trug ein sehr elegantes, zweiteiliges schwarzes Kleid und hatte ihre Haare zu einem perfekten Knoten aufgesteckt.
»Sie sehen wunderbar aus«, sagte May, teils aus Höflichkeit, aber auch weil es stimmte.
Mochte ihre Ersatzputzfrau sich auch in mehr als einer Hinsicht wie Aschenputtel fühlen, so war Clorinda jedenfalls entschlossen, nicht die Rolle der bösen Schwester zu übernehmen. »Liebes, Sie waren sagenhaft. Marcus wollte, daß Sie bleiben und auftragen, aber wenn Sie einfach den ersten Gang auf den Tisch bringen, während wir einen Aperitif trinken, und dann den Hauptgang, das wäre völlig ausreichend, ich mache den Rest selbst. Ich komme mir so gemein vor, weil Sie alles allein machen mußten.«
»Vielleicht sollte ich Ihnen erklären ...«
»Lassen Sie uns was trinken. Gin and Tonic?«
May gab den Versuch auf. Sie nahm von Clorinda ein Glas entgegen und trank. Der Drink war sehr stark.
Es läutete an der Tür. Clorinda leerte ihr Glas in einem tiefen Zug, gab ein diskretes, aber hörbares Aufstoßen von sich und ging in die Diele hinaus.
May kippte ihren Drink ebenfalls hinunter. »Auf das Dinner.«
Es war so lange her, seit Clorinda Stockbridges Gäste zum letztenmal Tomatensuppe aus der Dose gegessen hatten, daß wenige oder keiner sie wiedererkannte. Sie alle fanden sie köstlich und löffelten sie bis zum letzten Tropfen auf. Der Erfolg ihres ersten Gangs beruhigte May jedoch nicht sonderlich. Sie wußte, daß praktisch alle Leute Tomatensuppe aus der Dose liebten. Sie hatte eine Tante, die Jahre damit zugebracht hatte, mit ihren Tomaten aus eigener Zucht eine Suppe zu kreieren, die auch nur annähernd so gut war. Clorindas elektrischen Dosenöffner zu bedienen war das einzige Problem gewesen.
Es war der zweite Gang, der erst die Bewährungsprobe ihrer Erfindungsgabe, jetzt ihrer Nerven war. Mit schwerem Herzen, aber ohne Alternative holte sie die ersten beiden Teller aus dem Ofen. Wenigstens würde sie keinen der Gäste je im Leben wiedersehen müssen. Jede Portion bestand aus zwei Geflügel-Nuggets, ein paar geriebenen Kartoffeln, zu knusprigen Plätzchen gebacken, einigen Karottensplittern, einem Klecks Spinat und ein paar Erbsen, die sie vom Boden der Tiefkühltruhe eingesammelt hatte. Doch um diesem langweiligen Gericht ein bißchen Pfiff zu geben,
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