Wilde Rosen: Roman (German Edition)
werden. Außerdem hatte sie langsam wirklich genug von den Stockbridges und wollte nach Hause.
»Wenn Sie wirklich in die Richtung fahren, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie mich ein Stück mitnehmen«, sagte sie zu Hugh.
»Dann kommen Sie«, erwiderte er ungehalten.
May fröstelte, als sie zu seinem Wagen gingen. Sie zog die Schultern hoch und stellte den Kragen ihrer Jacke auf. Die Zentralverriegelung klickte leise, und sie stieg schnell ein, ehe er irgend etwas Peinliches tun konnte, wie etwa ihr die Tür zu öffnen. Er stieg auf seiner Seite ein, startete den Motor, und sie erkannte, daß er keineswegs solche Absichten gehabt hatte. Sie versteckte ein Grinsen in ihrem Kragen.
»Bitte denken Sie nicht, Sie müßten mich mit belanglosem Geplauder unterhalten«, sagte er. »Ich schlage vor, Sie schlafen ein wenig. Ich werde Sie wecken, wenn wir in Ihre Gegend kommen.«
May zuckte die Schultern, kuschelte sich in die weichen Lederpolster und schlief ein.
»Wo in Paddington wohnen Sie?«
May kämpfte sich mühsam aus ihrem Erschöpfungsschlaf. »Ach, lassen Sie mich einfach am Bahnhof raus.«
Im Wagen war es dunkel, aber May spürte die Mißbilligung ihres Chauffeurs deutlich. »Ich sagte, ich bringe Sie nach Hause. Also? Wo wohnen Sie?«
Na schön, du hast es so gewollt, dachte May. »Ich wohne in Bryanston Moorings auf einem Hausboot. Man kann nachts nicht mit dem Auto hinkommen, das Tor ist geschlossen.«
Er brummte verstimmt, was May an ihren Vater erinnerte, und fuhr ohne ein Wort weiter.
»Da vorn ist ein Parkplatz. Da können Sie mich rauslassen.«
»Ich würde es vorziehen, Sie bis nach Hause zu begleiten.«
May seufzte. »Hier passiert mir nichts. Ehrlich.«
Hugh tat ihren Dank mit einem Achselzucken ab und fuhr zusammen, als sie die Wagentür krachend zuschlug, aber erst als sie an Bord der Rose Revived war, entfernten sich die Scheinwerfer.
»Ein echter Gentleman«, murmelte sie mit einem leisen Lachen und öffnete die Tür zum Salon.
Kapitel 6
M ay hatte gewußt, daß Harriet noch auf war, als sie das Licht übers Wasser hatte scheinen sehen. Sie war froh. Marcus hatte ihr anstandslos einen Scheck ausgestellt. Entweder wußte er es nicht, oder es war ihm gleich, daß Quality Cleaners eine Rechnung schicken würde. May hatte ihren Augen kaum getraut, als sie den Betrag sah: zweihundert Pfund. Das hatte sie in Hochstimmung versetzt, ihre beiden kurzen Nickerchen und natürlich die Dusche hatten sie erfrischt, und sie sehnte sich danach, ihren Triumph mit jemandem zu teilen.
Harriet kochte Kakao. Sie lächelte, als May eintrat, aber May sah auf den ersten Blick, daß sie geweint hatte.
»Was ist los?«
»Ich muß dir was sagen.«
»Was?«
»Wir haben uns nach Strich und Faden übers Ohr hauen lassen.«
»Was? Sprichst du von Schleimbeutel?«
Harriet nickte. »Er hat uns verschaukelt. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingestellt.«
»Aber wie? Was bedeutet das?«
»Es bedeutet, daß wir alle einen Vertrag unterschrieben haben, der eine sechswöchige Probezeit vorsieht.«
»Das wußte ich nicht.«
»Ich auch nicht. Hätten wir den Vertrag gelesen, dann hätten wir’s gewußt. Jedenfalls haben wir anscheinend einem Stundenlohn von zwei fünfzig zugestimmt ...«
»Zwei Pfund fünfzig?!«
»... für diese ersten sechs Wochen, danach sollten wir die zehn Pfund pro Stunde kriegen, die er in Aussicht gestellt hat.«
May war außer sich. Sie sank auf die Bank nieder und brachte kein verständliches Wort heraus. Dann fiel ihr siedendheiß etwas ein, und ihr Gejammer wurde artikulierter: »Und ich habe Mike versprochen, am Montag, spätestens Dienstag könnte ich ihm etwas bezahlen. Gott! Warum haben wir diesen Vertrag nicht durchgelesen? Ich hätte diesen Bedingungen nie im Leben zugestimmt. Das grenzt ja an Sklaverei!«
»Keine von uns hätte unterschrieben, wenn wir den Vertrag gelesen hätten. Darum hat er uns sehr geschickt manipuliert, daß wir ihn nicht lesen. Und das ist ja noch nicht alles: Obwohl wir schon sieben Wochen für ihn arbeiten, behauptet er, er habe das Recht, die Probezeit um weitere sechs Wochen zu verlängern. Denn das ›liegt im Ermessen der Geschäftsführung‹.«
»Scheiße! Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
»Mit anderen Worten, er kann uns immer und immer weiter mit zwei Pfund fünfzig die Stunde abspeisen, so lange wir das mitmachen. Er hatte nie die Absicht, den Stundenlohn, mit dem er in der Annonce geworben hat, zu zahlen.«
»So ein verfluchter
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