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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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Lebensspanne im Fegefeuer, das wußte sie.
    May schienen es nur ein paar Augenblicke, ehe sie am Anfang einer langen Auffahrt abgesetzt wurde, und sie bereute sehr bald, daß sie nicht ihre Doc Martens trug. Es war höllisch schwer, in Harriets Schuhen zu laufen. Doch ihr langsames, stolperndes Fortkommen entlang der Auffahrt gab ihr Gelegenheit, das Gebäude zu bewundern. Ein wundervolles Tudor-Gutshaus. Sie kannte sich nicht gut genug aus, um mit Sicherheit sagen zu können, ob es wirklich aus der Tudor-Zeit stammte oder ein moderner Nachbau war, aber wenn das Fachwerk tatsächlich nur Attrappe sein sollte, hatte man die Balken zumindest in ihrer natürlichen graubraunen Farbe belassen und sie nicht schwarz gebeizt.
    Für eine Schule war das Haus recht klein, aus Steinen in einem zarten Rosaton, der selbst an einem kalten Herbsttag wie diesem warm wirkte. Kletterrosen bedeckten beinah die ganze Giebelwand, einige leuchtend rote Knospen gediehen noch im Schutz der äußeren Zweige. Man hätte sich dieses Anwesen durchaus als Fotoserie auf den gediegenen Hochglanzseiten von Country Life vorstellen können, wäre der Rasen nicht gewesen, der weniger wie ein makelloser, samtener Teppich wirkte, sondern eher wie eine Motocrosspiste. Hätte May das nicht als absolut ausgeschlossen verwerfen müssen, hätte sie geglaubt, daß Fahrräder über diesen Rasen gefahren waren. Aber es mußte eine andere Erklärung geben.
    Ein Junge mit einer Baseballkappe – Schirm nach hinten – kam auf einem Skateboard um die Ecke des Hauses. Als er sich dem Kies näherte, verlangsamte er sein Tempo, sprang ab, wobei er mit einem Fuß auf dem hinteren Ende seines Skateboards landete. Er fing das hochschnellende Brett geschickt auf, klemmte es sich unter den Arm und stob davon, ehe May etwas sagen konnte. Er trug Jeans, die von den Oberschenkeln bis zu den Knöcheln zerfetzt und total verdreckt waren. Aufgeregtes Geschrei und ein hohles, donnerndes Mahlen von Rädern ertönte hinter der Hausecke. Kein Zweifel, eine Skateboardrampe. May war mehr als nur ein bißchen verwundert, daß es so etwas hier gab.
    Schließlich gelangte sie zu der gewaltigen beschlagenen Eichentür und läutete, aber im Gegensatz zur Skateboardrampe gab die Klingel keinen Ton von sich. Die Stille war geradezu unheimlich. War die Klingel vielleicht gar defekt? Sollte sie ihr Glück mit dem riesigen Löwenkopfklopfer versuchen? Aber wenn die Klingel doch funktionierte, würde sie denjenigen, der jetzt auf dem Weg zur Tür war, nur verärgern. Sie hätte den Skateboardfahrer kidnappen und sich zu seinem Anführer bringen lassen sollen.
    Sie schüttete ein paar Kieselsteinchen aus Harriets Schuh, der einen neuen Kratzer vorzuweisen hatte. Wenn sie sich doch nur nicht so furchtbar verstellen müßte, um Harriet zu helfen. In der Schule hatte sie ihren Lehrern nie irgend etwas weismachen können. Sag die Wahrheit und schreib deine hundert Zeilen Strafarbeit, das war ihr Motto gewesen. Gab es immer noch hundert Zeilen Strafarbeit? fragte sie sich. Wurden die kleinen Kerle in diesen Elite-Internaten nicht immer noch mit dem Rohrstock verprügelt? Was, wenn Matthew Harriet sagte, er sei todunglücklich, und sie ihn stehlen müßten? Oh, warum kam nicht endlich jemand?
    Sie hatte gerade die Hand erhoben, um zu klopfen, als sie Schritte hörte, Schlüsselrasseln in Schlössern und eine undeutliche Stimme, die irgendwem befahl, verdammt noch mal endlich Platz zu machen. Hastig trat sie einen Schritt zurück, und einen Augenblick später stürzte ein ganzes Rudel Labradors aus dem Haus. Ihnen folgte ein großer, kräftiger Mann in einem Tweedjackett und grüner Kordhose. Er hatte vertrauenerweckende Krähenfüße um die tiefblauen Augen, sein freundliches Gesicht kam ihr seltsam vertraut vor, sein breiter Mund schien dazu zu neigen, sich zu einem Lächeln zu verziehen.
    »Diese verfluchten Köter«, murmelte er, ehe er sich mit einem höflichen Kopfnicken an May wandte.
    »Guten Tag«, sagte May und versuchte, kühl und würdevoll zu wirken, während die Hunde um sie herumscharwenzelten und ihre nassen Nasen unter ihren Rock schoben. »Ich bin May Sargent.«
    »Verschwindet endlich, ihr Ungeheuer!« befahl der Mann und wies über den ramponierten Rasen auf ein paar Bäume in der Ferne.
    Die Hunde sprangen übermütig davon, und May fühlte sich verlassen und noch nervöser. Die Hunde hatten die Aufmerksamkeit des Mannes wenigstens teilweise von ihr abgelenkt, jetzt hatte sie das

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