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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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unangenehme Gefühl, sie werde genauestens unter die Lupe genommen.
    »Entschuldigung. Wer, sagten Sie, sind Sie?« fragte er.
    »May Sargent. Ich bin hier, um Matthew abzuholen ...«
    Entsetzt erkannte sie, daß sie Harriets Nachnamen vergessen hatte. Sie betete, daß er ihr wieder einfallen würde, ehe sie sich vollkommen lächerlich machte, und lächelte schmallippig. »Könnten Sie Mr. Buckfast sagen, daß ich hier bin?«
    »Ich bin Tom Buckfast. Matthew wartet im Büro mit meinem Bruder.« Er steckte zwei Finger in den Mund und gab einen schrillen Pfiff von sich. Die Hunde – tatsächlich nur fünf, stellte sie verwundert fest – kamen zurückgerannt. Mr. Buckfast lächelte. »Das funktioniert bei den Jungs auch.«
    Mays zugeschnürte Kehle weitete sich wieder ein wenig. »Es muß schön für Sie sein, die Hunde zu haben.«
    Mr. Buckfast brummte. »Es ist vor allem schön für die Hunde, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Und schön für mich, so viele willige Hundeausführer zu haben, aber manchmal wachsen sie einem über den Kopf.« Ein Wink, ein »Ab mit euch«, und die Hunde tollten einen Korridor entlang, der, in Mays inzwischen fachmännisch geschulten Augen, ganz entschieden schmuddelig wirkte.
    »Kommen Sie hier entlang, und dann werd’ ich Sie Matthew vorstellen ... nein, Entschuldigung, ich meinte, ich werde Sie meinem Bruder vorstellen. Matthew kennen Sie ja.«
    Tatsächlich war es genau umgekehrt. May hatte Matthew nie zuvor gesehen, aber Mr. Buckfasts Bruder – jünger, schlanker und sehr viel weniger umgänglich – war der Staranwalt, der sie vor kaum zwölf Stunden nach Paddington gefahren hatte. Sein Gesicht und seine Kleidung waren weniger verknittert als die seines Bruders, und als May eintrat, erhob er sich mit einer Förmlichkeit, die dem Direktor ganz und gar abging.
    Sie erkannte ihn sofort. Es war ein grauenhafter Alptraum, so als sei sie plötzlich aufgewacht und stelle fest, daß sie splitternackt die High Street entlanglief. Doch nach einem Moment lichterloher Panik ging ihr auf, daß es höchst unwahrscheinlich war, daß er sie wiedererkennen würde. Er hatte sie kaum bei Licht gesehen, und in Harriets Kostüm statt einem Badehandtuch oder ihrer eigenen Latzhose würde er die Verbindung niemals herstellen, selbst wenn sie ihm vielleicht bekannt vorkam.
    »Miss Sargent, darf ich vorstellen, mein Bruder, Hugh Buckfast. Hugh, dies ist Miss Sargent, die Matthew heute ausführt. Mein Bruder hat sich freundlicherweise bereit erklärt, für Matthews Hauslehrer einzuspringen, der das Wochenende freihat.«
    May gab ihm nicht die Hand und schenkte ihm nur ein sehr kurzes Höflichkeitslächeln, ehe sie sich an Matthew wandte, der sich ebenfalls höflich erhoben hatte.
    »Hallo, Matthew, ich bin sicher, du kannst dich nicht an mich erinnern, aber ich bin eine sehr alte Freundin deiner Mutter.«
    Matthew hatte dunkle Haare und helle Haut, reichlich mit Sommersprossen gesegnet. Abgesehen vom unterschiedlichen Farbtyp hatte Harriet völlig recht gehabt, er war das Abbild seiner Mutter.
    May suchte in seinem Gesicht und seiner Körpersprache nach Anzeichen, daß er terrorisiert wurde oder verängstigt war, aber sie fand nichts dergleichen. Seine Jeans waren nicht zerfetzt, und sein Sweatshirt war halbwegs sauber, aber er sah überraschend normal aus für einen Zögling einer solchen Institution. May hatte mit diesen gräßlichen Shorts gerechnet, ein passendes Jackett, lange Kniestrümpfe, eine Krawatte mit einem dezenten Streifen, blank polierte braune Schuhe. Die Triefnase und tränenfeuchten Augen fehlten ebenfalls. Er lächelte scheu, schien aber nicht überrascht. »Meine Mutter hat mir viel von Ihnen erzählt.«
    May kam der Gedanke, daß Matthew die Kunst der weißen Lüge und Halbwahrheiten vermutlich von der Wiege auf erlernt hatte. May wußte, daß Harriet ihrem Sohn jeden Abend schrieb und ihn manchmal anrief. Natürlich hatte sie May dabei erwähnt.
    »Ich hoffe, Sie verstehen, daß die Anwesenheit meines Bruders notwendig ist«, sagte Mr. Buckfast. »Besonders in Matthews Fall. Wir haben explizite Instruktionen. Aber mein Bruder wird Sie mit dem Wagen in die Stadt fahren, so ist er wenigstens zu etwas nütze.«
    »Ich bin überzeugt, die Sicherheit all Ihrer Schüler ist gleichermaßen bedeutend.« Sie schenkte Mr. Buckfast junior (oder sagte man bei Brüdern »minor«?) ein kurzes Lächeln ohne Augenkontakt.
    Er erwiderte das Lächeln nicht und machte auch nicht den Mund auf, aber

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