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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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sie in diese Sache hineinzuziehen. Sie war vierundzwanzig Jahre alt. Wenn sie es jetzt nicht fertigbrachte, auf eigenen Füßen zu stehen, würde sie es nie schaffen.
    Ihre Brüder hatten beide gute Jobs und keine Familie. Auch sie würden ihr anstandslos Geld leihen, aber sie würden ihr gleichzeitig das Leben zur Hölle machen. Darauf wollte sie lieber verzichten. Nein, es würde ihnen nichts anderes übrigbleiben, als Schleimbeutel seine Kunden abspenstig zu machen, neue zu finden und so viel Geld zu verdienen, daß alle finanziellen Nöte gebannt wären.
    Sie ging an Bord der Shadowfax. Bald würde Jed aufstehen. Es war ein Jammer, daß sie ihn so selten zu Gesicht bekam. Er war ein freundlicher, liebenswerter Veganer, er rauchte Selbstgedrehte mit speziellen Blättchen, die er sich von weiß Gott woher schicken ließ, weil in allen anderen Marken Tierprodukte verwendet wurden. Er war meist unbekümmert und gelassen, es war beinah unmöglich, ihn in Rage zu bringen, und er konnte ordentlich zupacken.
    Aber sie erwartete an diesem Abend sehr viel weniger sympathische Gesellschaft: Der Staranwalt stand schon am gegenüberliegenden Ufer. Ganz sicher würde er alles mit kritischen Blicken sezieren, und da Harriet immer noch bei Sally war, mußte May es allein mit ihm aufnehmen.
    Man konnte unschwer erkennen, daß Harriet bis vor kurzem noch hier gewesen war, denn das Boot war ziemlich aufgeräumt. Was für ein Glück. Hätte das übliche Chaos an Bord geherrscht, hätte Hugh Buckfast wahrscheinlich eine dieser trockenen, ironischen Bemerkungen gemacht, die seine Spezialität waren. Davon abgesehen war damit zu rechnen, daß er Begriffe wie »Steuern«, »Versicherungen« und »Umsatzsteuer« ins Feld führen würde, mit derselben Überheblichkeit, wie Mike es getan hatte.
    »Hallo!« rief sie. »Sie müssen über die Schleuse und dann den Weg entlang. Ich komme Ihnen entgegen.«
    Hugh hob die Hand und setzte einen Fuß auf das Schleusentor. Ivan, ein junger Mann, der mit seinem Hund auf einem umgebauten Rettungsboot wohnte und seinen Lebensunterhalt als Drummer einer Jazzband, als Plakatmaler oder Schweißer verdiente, je nachdem, wo die Geschäfte am besten liefen, trat zu ihr.
    »Hi, May. Wie geht’s?«
    May schnitt eine Grimasse. »Nicht so toll. Ich schulde Mike ein Vermögen, und mein Boß hat mich reingelegt. Meine Freundinnen und ich wollen jetzt versuchen, auf eigene Rechnung ein bißchen Geld zu machen. Was ist mit dir?«
    »So weit ganz gut. Wir spielen im Moment in einer West-End-Kneipe, da kommt ein bißchen was bei rum.« Plötzlich entdeckte er Hugh, der den Ponton entlangschritt. »Was ist denn das für ’ne Gestalt?«
    Hugh trug Kordkosen, einen marineblauen Pullover und eine Windjacke, die auf einer Segelyacht passender gewirkt hätten als auf einem Hausboot. Und selbst in dieser Freizeitmontur konnte ihm bestimmt jeder ansehen, daß er den Großteil der Zeit in einem Anzug steckte, dachte May. Auch wenn es ihr nicht direkt peinlich war, hatte sie doch das Gefühl, sie müsse seine Anwesenheit vor Ivan rechtfertigen, der ein kleines Tuch um den Kopf geknotet trug und drei Ringe in einem Ohr.
    »Ähm, er ist Anwalt«, erklärte sie.
    Ivan war beeindruckt. »Mann! Mike macht dir doch keine Schwierigkeiten oder?«
    »Ich will’s nicht hoffen. Wie kommst du darauf? Macht er das öfter?«
    Ivan nickte, aber ehe er mehr sagen konnte, hatte Hugh sie erreicht, und Ivan schlenderte davon und sprang auf sein Rettungsboot hinüber. May entging nicht, daß Hughs Blick seiner schmalen, anarchischen Erscheinung folgte, und sofort fühlte sie sich in der Defensive. Sie mußte sich energisch ins Gedächtnis rufen, daß Hugh gekommen war, um ihr einen Gefallen zu tun, nicht zu seinem Vergnügen.
    »Hallo. Es ist sehr nett, daß Sie gekommen sind.«
    Seine Augen verengten sich und waren plötzlich von einem Fältchenkranz umgeben, so als sei er amüsiert und wolle es sich nicht anmerken lassen. »Sie klingen aber nicht so, als fänden Sie es so besonders nett.«
    May riß sich zusammen. Sie durfte nicht ruppig zu ihm sein. Er war auf ihrer Seite. Er wollte ihnen helfen. »Tut mir leid. Ich bin ein bißchen gestreßt.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Kommen Sie an Bord und bewundern Sie unseren zukünftigen Firmensitz.«
    Er bestieg die Shadowfax und kletterte von dort zur Rose Revived herüber.
    »Was für ein schönes Boot.«
    Mays Verstimmung verpuffte auf einen Schlag. Sie fühlte sich wie eine Mutter,

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