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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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des Künstlers einen Briefschlitz hatte. Ob er wohl zu Hause war? Sie hatte nie montags für ihn geputzt. Und sie hatte keine Ahnung, wie er hieß. Sie kommunizierten über kurze Notizen, die er mit einem unleserlichen Schnörkel unterschrieb. Seine Antwort auf ihre erste, schüchterne Nachricht lautete schlicht: Machen Sie beim nächsten Mal Kuchenbrötchen.
    Seine Handschrift war kunstvoll und geschwungen, er verwendete einen dicken Kohlestift. Sie hatte geschrieben: Ich habe keine Zeit zum Backen in den zwei Stunden, die ich zum Putzen hier bin. Ihre Bleistiftnachricht wirkte unerträglich spießig unter seiner ausladenden Schrift. Ich habe Sie heute für drei Stunden bestellt. Tun Sie, was nötig ist, und diesmal keine Ausreden! hatte er geantwortet.
    Und nachdem sie die Kuchenbrötchen gebacken hatte, hatte er ihr aufgetragen, andere Dinge zu kochen oder zu backen. Für Waffeln hatte er eine besondere Schwäche, aber letzte Woche war sie nicht dazu gekommen, welche zu backen, denn sie hatte den Fettschmier abgekratzt und abgeschrubbt, der sich über viele Jahre in seiner Küche angesammelt hatte. Und jetzt war sie vielleicht im Begriff, ihn persönlich kennenzulernen. Mit einer eigentümlichen Mischung aus Hoffnung und Schrecken stieg sie die Treppe hinauf. Wenn es möglich war, sich aufgrund einer Handschrift in jemanden zu verlieben, dann, dachte Harriet, war ihr genau das möglicherweise passiert.
    Seine Etagentür hätte dringend einmal abgewaschen werden müssen, aber zumindest hatte sie einen Briefschlitz mit einer Metallklappe davor. Sie steckte ihren Werbezettel hinein und stopfte mit den Fingern nach, um sich zu vergewissern, daß er sicher landete. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und die Klappe fiel herunter und klemmte ihre Hand ein.
    Sie versuchte, sich zu befreien, doch je weiter die Tür geöffnet wurde, um so erbarmungsloser quetschte der Briefschlitz ihre Finger. Als die Tür schließlich offenstand, lag Harriet über der Schwelle und versuchte, ein verständliches Flehen zustande zu bringen, damit, wer immer es war, ihrer Qual ein Ende machte.
    »Au! Hilfe! Bitte aufhören!«
    Ein hochgewachsener Mann mit dichten grauen Haaren und schwarzen Brauen stand dort, die Hand auf der Klinke, und sah finster auf Harriet hinab, die keuchend auf seiner Fußmatte lag, die Hand immer noch in seinem Briefkasten. Der Künstler sah genauso aus wie seine Handschrift.
    »Tut mir leid. Meine Hand ist eingeklemmt.« Sie befreite sich hastig und widerstand mit Mühe der Versuchung, an ihren Fingern zu saugen.
    »Also?« sagte der Mann verdrossen. Er wollte eine Erklärung. Ehe Harriet etwas vorbringen konnte, fuhr er fort: »Es ist erst morgen.«
    »Was?«
    »Der Kunstkurs.«
    »Oh. Wieviel Uhr?«
    »Zehn.«
    Seine Hand lag immer noch an der Tür, als wolle er sie jeden Augenblick zuwerfen, ganz gleich, ob er Harriet dabei zerquetschte oder nicht. Harriet dachte, es sei an der Zeit, ein Ausweichmanöver einzuleiten.
    »Kann ich in den Kurs kommen?«
    »Ich nehme an, deswegen sind Sie doch hier, oder?«
    Plötzlich fand Harriet ihren Mut. Sie hatte nie gewußt, daß sie mutig war. »Eigentlich nicht. Ich bin Ihre Putzfrau. Ich bin gekommen, um das hier abzugeben.« Sie wies auf den zerknitterten Handzettel auf seiner Fußmatte. Er würdigte ihn keines Blickes.
    »Sie sind wer?«
    »Ihre Putzfrau. Der Sie immer Zettelchen schreiben. Wegen der Wäsche und so weiter.«
    Langsam ging ihm ein Licht auf. Er hatte ein zerfurchtes Gesicht, das vermutlich niemals gutaussehend gewesen, aber mit jedem Jahrzehnt attraktiver geworden war. Harriet schätzte ihn auf Mitte Vierzig.
    »Oh. Kommen Sie rein. Warum haben Sie mir beim letzten Mal keine Waffeln gemacht?«
    Harriet hob das verhängnisvolle Papierknäuel vom Boden auf und folgte ihm in die Küche, wo es immer noch nach Curry roch. Vermutlich war es seine Hauptnahrungsquelle.
    »Zum einen hatte ich nicht genug Zeit. Außerdem bin ich Putzfrau, keine Köchin.«
    »Und Sie kommen jetzt, um zu putzen? Das trifft sich gut.«
    »Nein, ich bin nur gekommen, um Ihnen das hier zu bringen.« Sie faltete das Blatt auseinander und versuchte, es glattzustreichen. Er nahm es ihr aus der Hand und legte es auf die Küchenanrichte, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.
    Harriet erkannte, daß er vermutlich selten wenn überhaupt je die Werbung las, die er in seinem Briefkasten fand. »Meine Kolleginnen und ich haben beschlossen, unsere eigene Reinigungsfirma zu gründen.

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