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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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Raum durchquert und das Geräusch zum ersten Mal gehört hatte.
    Endlich löste Sally sich aus ihrer Starre. Langsam, ganz langsam wandte sie sich um, Zentimeter um Zentimeter, bis sie den Raum überblicken konnte. Über der Rückenlehne des Sofas entdeckte sie ein bärtiges Gesicht mit dunklen Augen unter buschigen, weißen Brauen.
    Ein Hund, schloß sie erleichtert. Aber sofort kam ihre Panik zurück. Der Ausdruck in diesen Hundeaugen war kein bißchen einladend, und der Kopfgröße nach zu urteilen mußte es sich um einen sehr, sehr großen Hund handeln. Sie hörte einen kratzenden Laut; Krallen auf Leder.
    Sie öffnete den Mund, um irgend etwas zu sagen, das dieses Ungetüm friedfertig stimmen würde, aber sie brachte kein Wort heraus. Irgend etwas im Gesicht dieses Tieres war so prähistorisch, so urzeitlich, daß nichts Geringeres als ein Zitat aus Beowulf angemessen schien.
    Ihr Hirn arbeitete mit zweifacher Lichtgeschwindigkeit, und mit einem Mal fiel ihr ein alter Schwarzweißfilm ein, den sie auf der Schauspielschule gesehen hatte. Macbeth. In diesem Film tollten Hunde vor einem Kamin herum, in dem ganze Eichenstämme verfeuert wurden. Sally erkannte, daß sie Auge in Auge mit einem irischen Wolfshund stand.
    Sie räusperte sich, und weil sie keine angemessene Grußformel auf altenglisch kannte, sagte sie: »Hallo.«
    Wenn sie gehofft hatte, die Kreatur werde sich von ihrem Lager erheben und den Kopf in ihren Schoß betten wie ein Einhorn aus der Artus-Sage, dann hatte sie sich getäuscht. Der Hund seufzte nur tief und zog den Kopf wieder ein, so daß er nicht mehr zu sehen war.
    Auf Zehenspitzen schlich Sally zum Sofa, um einen Blick über die Lehne zu riskieren. Der Hund war offensichtlich nicht bösartig, aber unvorstellbar riesig. Er beanspruchte die gesamte Sofalänge. Wie kam er nur hierher? Ob er hier war, seit der alte Herr gestorben war?
    Sally ging zum Fenster zurück, öffnete den zweiten Vorhang, um mehr Licht zu bekommen, dann begutachtete sie den Wolfshund noch einmal. Sie mochte Hunde sehr gern, und in der Regel vergötterten sie sie. Dieser hier schien hingegen nicht sehr angetan.
    »Na ja, wie auch immer. Ich muß los, ich habe nämlich noch zu arbeiten, selbst wenn du dich auf die faule Haut legen kannst«, sagte sie.
    Das nahm er ihr wohl übel. Mit einem Laut, der im bedenklichen Niemandsland zwischen Grunzen und Knurren lag, wälzte er sich vom Sofa und kam zum Vorschein, um Sally zu begutachten. Hätte er sich auf die Hinterbeine gestellt, wäre er sehr viel größer gewesen als Sally, und natürlich war er um einiges schwerer.
    Der Hund mußte furchtbar niesen, und Sally hoffte, er war nicht intelligent genug, um zu erkennen, daß das ihre Schuld war. Dann schnüffelte er an ihr. Sein Bart kitzelte sie an den geballten Händen, und seine Nase war kalt. Sie hielt still. Eine falsche Bewegung und ihr Gesicht wäre Hackfleisch. Dann richtete er sich ein wenig auf die Hinterbeine auf und küßte ihre Wange.
    Sally hörte auf, sich zu fürchten, schlang die Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich. Irgendwie entschädigte dieser eine nasse Hundekuß sie für den ganzen Mangel an Zuwendung, den sie während der Zeit mit Piers erlitten hatte. Der Hund erwiderte die Umarmung mit einem leisen Bellen, fuhr plötzlich herum und rannte zur Tür, in seiner Eile riß er Sally zu Boden.
    Sie hörte seine Krallen auf dem Fußboden der Diele, gleichzeitig wurde die Tür geöffnet. Aus ihrer Froschperspektive beobachtete Sally, wie der Hund sich aufrichtete und die Vorderpfoten auf die Schultern eines Mannes legte, den er somit komplett verdeckte.
    »Runter, Clodagh«, sagte der Mann sanft und schob die Hundepranken von seinen Schultern. Dann entdeckte er Sally. »Oh.«
    Sally lag immer noch dort, wo Clodaghs Überschwenglichkeit sie hingeschleudert hatte. Normalerweise machte sie sich keine großartigen Gedanken um ihre Würde, aber jetzt fühlte sie sich doch ziemlich idiotisch, und das machte sie wütend. Dabei war es keineswegs hilfreich, daß der Mann gut aussah, auf eine haarige, naturbelassene Weise.
    »Hallo. Sie müssen die Dame von der Reinigungsfirma sein. Mrs. Walker hat mir von Ihnen erzählt.« Er sprach im selben Tonfall wie mit seinem Hund, nur schien er sich jetzt ein Lachen zu verbeißen, und das steigerte Sallys Ärger. »Hat Clodagh Sie umgeworfen? Das tut mir furchtbar leid.« Er streckte eine Hand aus, um ihr aufzuhelfen.
    Sally ignorierte die Hand und kam auf die Füße.

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