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Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Wilde Rosen: Roman (German Edition)

Titel: Wilde Rosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Fforde
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die Richtung, wo Leo stand und eine ihrer Zeichnungen aus der Mappe zog. »Vielleicht nicht in mein Ohr, aber er hat sich meine Arbeiten angesehen, und ich hab’ so ein Gefühl, als werde er gleich der ganzen Welt verkünden, wie schlecht sie sind.«
    Leo gewann die volle Aufmerksamkeit seiner Schülerinnen zurück, ohne ein Wort zu sagen, einfach indem er den Kopf hob. »Sie haben sich alle gefragt, wie man in zwei Minuten irgend etwas zustande bringen soll. Nun, lassen Sie mich Ihnen eine von Harriets Arbeiten zeigen.«
    Harriet hatte das Gefühl, daß sie mit größerer Aufmerksamkeit angestarrt wurde als eben. Sie lief rot an. Doch als sie den Kopf hob, sah niemand in ihre Richtung. Alle Blicke waren auf eine Zeichnung von Sally gerichtet. Sally hatte eine langgestreckte Haltung eingenommen, als mache sie sich zu einem Sprung bereit. Eine Yogaübung, die selbst für Fortgeschrittene nicht lange auszuhalten war.
    »Hier ist es Harriet gelungen, das Wesentliche der Körperhaltung in einigen wenigen Strichen festzuhalten, manche davon an völlig falscher Stelle.« Leo sah auf. »Habe ich recht, wenn ich behaupte, daß dies eine Zwei-Minuten-Pose war?«
    Harriet war wieder feuerrot angelaufen und wünschte, der Parkettboden unter ihren Füßen, den sie so mühsam poliert hatte, würde sich auftun und sie verschlingen. Sie nickte.
    »Und hier ...« Leo zeigte jede einzelne ihrer Zeichnungen und erklärte, woran man erkennen konnte, daß sie alle in extrem kurzer Zeit entstanden waren.
    Harriet wußte nicht, ob er sie als leuchtendes oder als abschreckendes Beispiel hinstellte. »Sie sehen also«, sagte er abschließend. »Man muß mutig sein – oder verzweifelt – um den ersten Strich zu wagen. Der Prinz hätte Dornröschen schließlich auch nicht gefunden, hätte er nicht mit seinem Degen das Dornengestrüpp niedergemacht. Vielen Dank, Harriet.«
    Den Rest der Stunde versuchte Harriet zu ergründen, ob er ihre Arbeiten nun gut oder schlecht fand. Die Schülerinnen warfen ihr verstohlene, unsichere Blicke zu, als seien sie sich auch nicht sicher.
    »In Ordnung, das war’s, die Zeit ist um. Harriet, Sie können sich jetzt entspannen.«
    Das war fast zum Lachen. Wie in aller Welt sollte sie sich entspannen, ehe sie wußte, ob Leo sie für talentiert hielt oder nicht?
    Endlich waren alle gegangen. Leo wandte sich ihr zu, ein fragender, amüsierter Ausdruck in seinen hellen Augen. Seine Belustigung provozierte Harriet dazu, den ersten Schritt zu machen.
    »Und? Wollen Sie mich bezahlen oder in Ihren Kurs aufnehmen?«
    Er lächelte, und sie wäre am liebsten mit den Fäusten auf ihn losgegangen. »Seien Sie nicht albern, Harriet. Sie wissen ganz genau, daß Sie viel besser sind als die meisten anderen hier. Aber Sie werden niemals richtig gut sein, ehe Sie nicht Ihre bürgerlichen Hemmungen abschütteln, an die Sie sich so klammern.«
    Harriet fand, sie hatte sie verdammt gut abgeschüttelt, wenn man die Umstände bedachte. »Ach ja? Und woher nehmen Sie das ...«
    Aber er ließ sie nicht ausreden, dabei brauchte sie so dringend ein Ventil, um den Dampf abzulassen, der sich in den letzten vierundzwanzig Stunden aufgestaut hatte.
    »Kommen Sie Freitag um zehn.«
    Harriet atmete tief durch, plötzlich beschämt über ihre Wut. »Vielen Dank ...«
    Er brummte ungehalten, fuhr mit der Faust in die Hosentasche und drückte ihr dann etwas in die Hand. Es war eine Zwanzig-Pfund-Note.
    »Wofür ist das?«
    »Sie waren ein gutes Modell. Das ist der gängige Preis.«
    »Aber ich dachte ...«
    Leo sah aus, als wolle er sie am liebsten packen und hinauswerfen. »Kaufen Sie Material davon, verdammt noch mal! Und schauen Sie einem geschenkten Gaul nicht ins Maul!«
    Harriet verließ die Wohnung mit mehr Eile als Würde.

Kapitel 11

    D ie Walkers nahmen es erstaunlich gelassen, als Sally ihnen eröffnete, daß sie und ihre Freundinnen eine eigene Firma gegründet haben. »Mr. Slater« sei ihnen doch »recht gewöhnlich« erschienen, als er einmal wegen eines falsch datierten Schecks angerufen habe. Captain Walker bescheinigte Sally und den anderen »eine gehörige Portion Schneid«.
    Und, fügte Mrs. Walker aufgeregt hinzu, »ich habe sogar einen neuen Kunden für Sie! Stellen Sie sich das vor! So ein glücklicher Zufall!«
    Mr. Flowers, erklärte sie, der dreißig Jahre lang über ihnen gewohnt hatte, sei verstorben. Sein Neffe habe ihn tot in der Badewanne gefunden.
    »Anscheinend ist die Wohnung furchtbar schmutzig, aber der

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