Wilde Rosen: Roman (German Edition)
putzen, solltest du es dann alleine mit Mike aufnehmen?«
»Mike ist ganz allein mein Problem. Außerdem ist er nicht wie Slater. Er ist ...« Früher hätte sie einmal gesagt, er sei nett, umgänglich, sogar großzügig. Aber heute schien er ihr nicht mehr so.
»Ja?« hakte Harriet nach. »Was ist er?«
»Ehrlich«, sagte May überzeugt. »Ich bin sicher, er ist ehrlich.«
Das hieß aber leider nicht, daß er auch einsichtig war.
»Fünfzig Pfund nutzen mir nichts, May. Das ist nicht mal eine Wochenmiete. Und du hast Rückstände auszugleichen.«
Mike hatte ihr keinen Platz und keinen Kaffee angeboten, stand mit unfreundlicher Miene vor ihr, die Hände in die Seiten gestemmt und war offenbar nicht weit davon entfernt, sie anzubrüllen.
»Ich weiß, daß deine Freunde hier sehr große Stücke auf dich halten und dich als eine Art Maskottchen ansehen. Aber mal ganz ehrlich, am liebsten wäre ich euch allesamt los – Aussteigerpack! Je eher ich meine Liegeplätze an Leute mit anständigen Booten vermieten kann, Boote, die keine verfluchten zwanzig Meter lang sind, um so besser für mich! Und wenn du nicht mehr als fünfzig Pfund zu bieten hast, dann werd’ ich jetzt auf der Stelle die Zwangsversteigerung deines Bootes in die Wege leiten.«
Ohne ein Wort griff May in die Tasche ihres Overalls und förderte noch mal hundert Pfund ans Licht.
Mike zögerte nur einen Sekundenbruchteil, dann riß er ihr die Scheine aus der Hand und steckte sie in seine Gesäßtasche. »Danke! Und nächste Woche will ich die nächsten hundertfünfzig.« Er machte auf dem Absatz kehrt, stürmte hinaus und ließ May allein im Büro zurück, zutiefst betroffen und verwirrt.
»Was ist denn nur los mit dem Kerl?« fragte sie Ivan, der seine Gasflasche über den Ponton schleifte. »Haben sie eine Persönlichkeitstransplantation mit ihm durchgeführt oder was? Er hat gedroht, mir mein Boot unterm Hintern weg zu verkaufen!«
Ivan balancierte seine Gasflasche aus. »Er ist gierig geworden, das ist es. Ihm ist klargeworden, wieviel mehr er verdienen könnte, wenn er hier lauter nette, kleine Kunststoffboote liegen hätte. Wir stehen hier alle auf der Abschußliste.«
May hatte begonnen zu zittern. »Im Ernst?«
»Und weil du ihm die Liegegebühr für die Rose schuldest, stehst du ganz oben auf seiner Liste.«
May versuchte zu lächeln. Es wollte nicht so recht gelingen. »Ich glaub’, ich werd’ mir ein Lotterielos kaufen.«
Erst später, als sie auf dem Weg zu Sally war, ging ihr auf, was sie auf Mikes Gesicht gesehen hatte, als sie ihm die zusätzlichen hundert Pfund gab. Es war Enttäuschung. Er wollte gar nicht, daß sie ihre Schulden so schnell wie möglich ausglich. Sie waren eine wunderbare Entschuldigung, sie loszuwerden.
Mit Hilfe von einem ganzen Arsenal diverser Reinigungsmittel, Mrs. Walkers Staubsauger und der moralischen Unterstützung durch Capital Radio gelang es ihnen, der Wohnung des verstorbenen Mr. Flowers etwas von ihrem altmodischen Charme zurückzugeben. Sie arbeiteten den ganzen Tag daran.
»Also, ich meine, James Lucas sollte entzückt sein«, sagte Sally und reckte sich nach hinten, um ihr lahmes Kreuz zu entspannen. »Es riecht fast gar nicht mehr nach Urin.«
»Ich frage mich nur, wie wir an unser Geld für diesen Job kommen«, warf May ein.
Sally starrte auf ihre Schuhe hinab. Einer hatte einen Spritzer Scheuermilch abbekommen. »Daran hab’ ich nicht gedacht.«
May kaute auf ihrer Unterlippe. Das hier war ihr einziger echter Kunde. Wenn sie kein Geld für ihre Arbeit bekamen, woher sollte sie die nächste Rate für Mike nehmen?
»Ich nehme doch an, dieser James Lucas ist vertrauenswürdig? Er wird doch nicht einfach die Schlösser austauschen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden, oder?«
Sally schüttelte entschieden den Kopf. »Ich bin sicher, er ist ehrlich. Immerhin hat er das alles hier über Mrs. Walker organisiert. Sie würde auf keinen Gauner hereinfallen.«
»Sie ist auf Keith Slater reingefallen«, gab May zu bedenken.
Das sind wir auch, dachte Sally. »Er schien mir so ein solider Typ zu sein. Ich meine, er hatte eine Tweedjacke an.«
»Was soll’s.« May versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Wir schicken ihm eine Rechnung per Post. Wo wohnt er, Sal?«
Sally schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Was?« May war zu entsetzt, um wütend zu sein.
Sally war den Tränen nahe. »Es tut mir leid. Ich hab’s vermasselt. Wir haben den ganzen Tag umsonst geschuftet. Und das
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