Wilde Rosen: Roman (German Edition)
bezahlen, als wir nur ein Viertel von dem verdient haben, was uns eigentlich zustand. Und jetzt wird sehr viel mehr reinkommen.«
»Vermutlich, ja.«
»Aber die Verteilung muß fair sein«, fuhr Harriet fort. »Ich meine, wenn ich mir für meine Zeichenstunden freinehme, wär’ es nicht fair, wenn ich dasselbe Gehalt ...«
May hob entschieden die Hand. »Nein! Ich bestehe darauf, daß wir alle das gleiche bekommen. Wenn du Zeit zum Malen brauchst oder Sally, um zu einem Vorsprechen zu gehen, dann müßt ihr euch diese Zeit nehmen. Die Reinigungsfirma soll doch nur ein Übergangsstadium in unserem Leben sein. Wir dürfen nicht zulassen, daß es dem im Wege steht, was wir wirklich wollen.«
»Aber wir müssen auch geschäftstüchtig sein«, erwiderte Harriet. »Wir brauchen alle Geld aus verschiedenen Gründen, und wir werden es nur verdienen, wenn wir uns mit aller Kraft und aus ganzem Herzen unserem Projekt widmen. Malen ist ein Luxus.«
»Aber deswegen bist du nach London gekommen, Harry. Und Sallys Beruf ist die Schauspielerei. Außerdem«, May versuchte, mit ein bißchen Humor an diese so gar nicht komische Situation heranzugehen, »kannst du dir vorstellen, daß ich mich mit aller Kraft und aus ganzem Herzen dem Putzen widme? Ich meine, kannst du dir das echt vorstellen?«
Harriet lächelte. »Na ja, dann eben mit so viel Kraft, wie wir dafür erübrigen können.«
»Du führst die Bücher, Harriet, und das wird die Zeit mehr als ausgleichen, die du für deine Stunden freinimmst. Und wenn Sally ein Vorsprechen hat ...«
»Ja?« fragte Sally eifrig. »Was soll ich tun, um die Zeit auszugleichen?«
May atmete tief durch. »Wir lassen uns was einfallen, wenn’s so weit ist, ja?«
Sally rührte in ihrem schwarzen, ungesüßten Kaffee. Vermutlich würde es niemals so weit kommen. Seit dem Vorsprechen für das Tschernobyl-Stück hatte sie keinen Anruf von ihrem Agenten bekommen. Vielleicht würde er niemals wieder anrufen und sie würde bis ans Ende ihrer Tage Putzfrau bleiben. Sie seufzte tief. »Also, Schleimbeutel kann uns doch eigentlich gar nichts anhaben, wenn wir seine Kunden abwerben, oder? Sie sind doch kein Eigentum.«
»Nein, natürlich kann er uns nichts«, stimmte May mit mehr Überzeugung zu, als sie empfand.
»Wie wär’s, wenn du deinen Staranwalt fragst?« schlug Harriet vor.
May widerstrebte es, Hugh einzuschalten, trotz seines Angebots, ihnen zu helfen. Er jagte ihr keine Angst ein, wie Slater es tat, aber es war immer, als hinterfrage er ihren Lebensstil, selbst wenn er keinen Ton sagte. Und derzeit konnte sie sich keine negativen Einflüsse erlauben.
»Natürlich könnte ich ihn fragen, aber was machen wir, wenn er sagt, wir dürfen die Kunden nicht abwerben? Wer weiß, ob wir auf Anhieb neue Kunden finden würden, und keine von uns kann auf das Einkommen verzichten.« Ich am allerwenigsten, fügte sie in Gedanken hinzu.
Sally dachte an ihre Ersparnisse, die in ihrer Wäscheschublade unter den Slips lagen. Es war keinesfalls genug, wenigstens hundert Pfund fehlten ihr noch, und sie hatte nur noch für zwei Wochen ein Dach über dem Kopf. Der Gedanke, daß sie zu May und Harriet ziehen konnte, war ein sehr schwacher Trost. Nein, sie mußten alle Kunden nehmen, die sie kriegen konnten.
Auch Harriet dachte an ihr schwindendes Bankguthaben. Sie hatte nur sehr wenig Geld mit nach London gebracht, Honorare von Leuten, deren Häuser sie gemalt hatte, als sie noch bei ihren Großeltern lebte. Viel war nicht davon übrig. May hatte recht. Sie konnten es sich nicht leisten, allzu zimperlich zu sein. »Ich meine trotzdem, du solltest ihn fragen, falls du ihn siehst.«
»Mach ich«, sagte May, überzeugt, daß sie ihn nicht sehen würde. »Versprochen.«
»Wir haben jedenfalls einen Kunden, der nie was mit Schleimbeutel zu tun hatte«, sagte Sally und leerte ihren Kaffeebecher. »Los, laßt uns gehen und James Lucas’ Wohnung putzen.«
May sah auf die Uhr. »Ich muß zu Mike. Ich hab’ nicht damit gerechnet, daß es so lange dauern würde, Schleimbeutel zu sagen, wo er sich seinen Job hinstecken kann. Wir treffen uns anschließend.«
»Wir könnten schon mal anfangen, und du stößt später dazu«, schlug Sally vor.
May schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage, wir sind ein Team, und als Team arbeiten wir zusammen. Geht ihr nur zu dir nach Hause. Es wird nicht lange dauern.«
»Möchtest du, daß ich mitkomme?« schlug Harriet vor. »Wenn wir nicht alleine anfangen können zu
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