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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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Männer deiner Heimat eine Frau, indem sie ihr mit Mord drohen? Nun, vielleicht ist es dir wirklich nicht mö g lich, mich zu töten. Wir sollten es darauf ankommen lassen, es h e rauszufinden.«
    Er überging ihren Gefühlsausbruch. Statt dessen regis t rierte er, wie selbstverständlich sie davon ausging, daß er sie zu seiner Frau machen wü r de. Von ihrem Standpunkt aus war eine solche Annahme durchaus natürlich, vielleicht sogar richtig. Er hatte sich bereits die Frage gestellt, mit welchem seiner Leute er sie zuerst vermählen sollte. Doch nun wu ß te er, daß er sie selbst zur Frau nehmen würde – eine Zeitlang wenigstens. Oftmals behielt er die Gesunde s ten und Kraftvollsten aus seinem Volk für einige Monate oder s o gar ein ganzes Jahr bei sich. Waren es Kinder, so lernten sie, ihn als ihren Vater a n zuerkennen. Waren es Männer, lernten sie, ihm als ihrem Herrn zu gehorchen. Waren es Frauen, akzeptierten sie ihn am ehesten als Lie b haber und Ehegatten. Anyanwu war eine der schönsten Frauen, die er jemals gesehen hatte. Er hatte sofort b e schlossen, sie in dieser Nacht zu sich auf sein Lager zu nehmen. Und auch in den folgenden Nächten sollte sie mit ihm die Schla f stätte teilen. So lange, bis sie das Zuchtdorf erreicht hatten, das er in der britisch regierten K o lonie von New York begründen wollte. Als er sprach, war seine Stimme sanft.
    »Warum sollte ich versuchen, dich zu töten, Anyanwu, warum? Würdest du mich töten, wenn du es könntest?«
    »Vielleicht kann ich es.«
    »Hier bin ich.« Er blickte sie an mit Augen, die die Männergestalt, in die sie geschlüpft war, ignorierten. Mit Augen, die die Frau in ihr ansprachen – so hoffte er w e nigstens. Es würde viel befriedigender für ihn sein, wenn sie freiwillig zu ihm kam und nicht aus Furcht, oder weil er sie dazu zwang.
    Sie sagte kein Wort. Es war, als brächte seine Sanf t heit sie in Verwirrung. Genau das hatte er beabsic h tigt.
    »Wir würden gut zueinander passen, Anyanwu. Hast du dir nie einen Mann gewünscht, der de i ner würdig ist?«
    »Du bist sehr von dir eingenommen.«
    »Und von dir. Aus welchem Grund sollte ich sonst hier sein?«
    »Ich habe Ehemänner gehabt, die große Persönlic h keiten waren«, sagte sie. »Männer von Adel, mutig und helde n haft, obwohl ihnen diese besonderen F ä higkeiten fehlten, die du besitzt. Ich habe Söhne, die Priester sind, wohlh a bende Männer von Rang und Würden. Warum sollte ich mir einen Gatten wü n schen, der auf andere Jagd machen muß wie auf wi l de Tiere?«
    Er zeigte mit dem Finger auf seine Brust. »Dieser Mann machte Jagd auf mich. Er griff mich mit einem Buschme s ser an.«
    Einen Moment lang spannte sich ihre Haltung. Ein Zi t tern lief durch ihren Körper. »Auch mich hat man auf diese Weise angegriffen und bein a he in zwei Hälften geteilt.«
    »Was hast du gemacht?«
    »Ich … ich habe mich selbst geheilt. Ich hätte nie g e glaubt, daß mir das in so kurzer Zeit g e lingen würde.«
    »Ich möchte wissen, was du mit dem Mann gemacht hast, der dich mit dem Buschmesser an g riff!«
    »Es war nicht nur einer. Es waren sieben, die kamen, um mich zu töten.«
    »Was hast du mit ihnen gemacht, Anyanwu?«
    Sie schien in sich zusammenzusinken bei der Erinn e rung. »Ich habe sie getötet«, murmelte sie. »Zur Warnung für alle anderen und weil … weil ich zo r nig war.«
    Doro saß da und beobachtete sie. Er sah den Ausdruck der Qual in ihren Augen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er selbst das letzte Mal beim Töten eines Menschen so etwas wie Schmerz empfunden hatte. Zorn oder Wut vielleicht, wenn ein brauchbarer und gesunder Mann au f sässig wurde und ausg e merzt werden mußte. Zorn und Wut über ein solch sinnloses Ende. Aber Schmerz? Nein, keinen Schmerz.
    »Begreifst du jetzt?« sagte er ruhig. Er wartete eine Weile, dann fragte er: »Wie hast du sie g e tötet?«
    »Mit meinen Händen.« Sie streckte die Hände aus, g e wöhnliche Hände, nicht einmal auffa l lend häßlich, so wie die der alten Frau, in deren Gestalt sie gelebt hatte. »Ich war zornig«, wiederholte sie. »Aber von diesem Auge n blick an habe ich mir alle Mühe geg e ben, meinen Zorn zu beherrschen.«
    »Und was hast du sonst noch gemacht?«
    »Warum willst du all diese beschämenden Ei n zelheiten wissen«, fragte sie. »Ich habe sie get ö tet. Sie sind tot. Es waren meine Leute, und ich habe sie getötet.«
    »Was ist daran beschämend, die zu töten, die dir ans L e ben

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