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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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Flucht vor dir war, begriff ich die Zusammenhänge. Erst als ich gezwungen war, mich vor dir zu verstecken, begann ich, mich genauer zu verst e hen. Ich brachte Delphi n junge zur Welt – und sie waren Delphine. Keine Menschenwesen. Sie waren die Jungen jenes De l phinweibchens, das Isaak aus dem Meer holte, damit wir unseren Hunger stillen konnten. Mein Körper war eine genaue Wiedergabe dieses Delphinwei b chens, bis in die letzten Einzelheiten. Mir fehlen die Worte, dir zu erklären, wie tiefgreifend und absolut eine solche. Ve r wandlung ist.«
    »Du warst also imstande, dich so vollständig in einen and e ren Menschen zu verwandeln, daß die Kinder, die du Denice schenktest, nicht wirklich deine eig e nen waren?«
    »Ja, ich hätte das gekonnt. Aber als Denice dann endlich verstand, wollte sie es nicht. Sie sagte, sie wolle dann li e ber überhaupt keine Kinder haben. Doch dieses Opfer war nicht notwendig. Ich konnte ihr Mädchen mit meinem Wa r rick-Körper schenken. Mädchen, die Denices weiße Hau t farbe besaßen. Es war nicht einfach für mich, das zu b e werkstelligen, denn eine einzige Zelle des menschlichen Körpers birgt zahlreiche Geheimnisse in sich. Die kleinste Sorglosigkeit von mir, und ich hätte den Samen für ein Monster in sie hineinpflanzen können.«
    »Und diese Flucht vor mir war der Anlaß, dich eing e hend mit diesen Dingen zu befassen?«
    »Ja. Du bist es, dem ich diese Erkenntnisse verdanke. Auf irgendeine Art jedenfalls. Die meiste Zeit hatte ich nichts anders zu tun, als mich selbst zu erforschen, alle Möglic h keiten und Rätsel meines Körpers, Versuche mit ihm anzustellen, die ich zuvor für unmöglich gehalten ha t te.«
    »Wenn du also den Körper eines anderen Mannes nac h bi l dest, kannst du auch Söhne zeugen?«
    »Söhne dieses anderen Mannes.«
    Langsam verzog sich Doros Mund zu einem Lächeln. »Dann ist das die Antwort, Anyanwu. Du wirst an die Ste l le deiner Söhne treten. Du wirst an die Stelle einer großen Zahl von Menschen treten.«
    »Willst du damit sagen, ich soll kreuz und quer durch die Lande reisen und Kinder zeugen, die ich niemals zu G e sicht bekommen werde – die ich aus meinen Gedanken zu verbannen habe?«
    »Entweder du gehst zu den Frauen, oder sie kommen zu dir!«
    Müde stand sie auf. Sie wagte es nicht einmal, ihre E m pörung und ihren Haß zu zeigen. »Du bist ein ausgemac h ter Narr«, sagte sie leise, dann ging sie hinaus in die Halle und verließ das Haus durch die Hintertür. Sie blickte h i nunter auf den träge dahinfließenden Strom, dessen Wasser zwischen den Bäumen schimmerte. Sie sah die verstreut liegenden Sklavenhütten, in denen keine Sklaven mehr wohnten. Anyanwu besaß keine Sklaven. Einige ihrer Le u te, die für sie arbeiteten, hatte sie gekauft. Die meisten j e doch waren schon als Freigelassene zu ihr gekommen, und de n jenigen, die sie gekauft hatte, schenkte sie die Freiheit. Alle ihre Arbeiter blieben auf der Plantage. Sie fühlten sich wohl bei Anyanwu und den anderen. Neuankömmlinge fanden das i m mer wieder überraschend. Sie waren es nicht gewohnt, von anderen Menschen wohlwollend aufgeno m men zu werden. Sie waren Ausgestoßene, U n zufriedene, Unruhestifter – doch in Anyanwus Nähe ging eine Wan d lung in ihnen vor. Sie sahen in ihr die Mutter, die ältere Schwester, die Lehrerin und – wenn Anyanwu sie dazu ermutigte – auch die Lie b haberin. Aber selbst die Form äußerster Vertrautheit tat Anyanwus Autorität keinen A b bruch. Die Me n schen kannten ihre Macht. Anyanwu war, wer sie war, gleichgültig, in welcher Rolle sie den Leuten begegnete.
    Und dabei arbeitete Anyanwu nie mit Drohungen oder Strafen. Sie veranstaltete kein Blutbad unter ihren Leuten, wie Doro das tat. Im schlimmsten Falle griff sie zum Mittel des Ausschlusses. Ausschluß bedeutete Vertreibung. Es hieß für den Betroffenen, daß er die Sicherheit und Gebo r genheit der Plantage verlassen mußte und daß er in der Welt draußen aufs neue ein Ausgestoßener wurde.
    Einige von ihren Leuten wußten, wie schwer es Anya n wu fiel, den Ausschluß über jemanden zu verhängen. Ein i ge wußten, wie glücklich sie sich im Kreis der Ihren fühlte. Sie war nicht wie Doro, der Menschen züchtete, als seien sie Tiere, obwohl die Tatsache, daß sie all diesen andersa r tigen, ungewöhnlichen und zum Teil recht anormalen Me n schen eine Heimat bot, vielleicht zu dem gleichen Ziel führte, wie Doros gewaltsame Züchtungen. Anya n wu war eben Anyanwu. Sie

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