Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
Vom Netzwerk:
darüber gezeigt, daß sie sich in all den Jahren überhaupt nicht verändert zu h a ben schien – obwohl ihm gleichzeitig der Gedanke zu dämmern begann, daß sie vielleicht genauso u n sterblich war wie er und daß das Alter ihr nicht das geringste anh a ben konnte. Bis zu diesem Tag hatte er den Gedanken an Anyanwus Unsterblichkeit immer verdrängt oder zumi n dest nur halbherzig zur Ken n tnis genommen.
    »Doro, ich werde weiterleben und nicht sterben. Es sei denn, du tötest mich.«
    »Glaubst du, du könntest das Werk übernehmen, an dem ich Jahrtausende gearbeitet habe?«
    »Glaubst du wirklich, daß ich das will?« gab sie z u rück. »Ich habe dir die Wahrheit gesagt. Diese Menschen bra u chen mich, und ich brauche sie. Ich hatte nie den Plan, eine Siedlung zu gründen, wie du das tust. Weshalb auch? Ich brauche keinen neuen Kö r per, in den ich hineinschlüpfen muß, um weiterleben zu können. Das einzige, was ich brauche, sind Me n schen von meiner Art. Ich brauche die Meinen um mich herum. Meine Familie und diejenigen, die sich als meine Kinder fühlen. Laß sie mir, ganz abges e hen davon, daß sie für dich ein hervorragendes Zuchtpotential darstellen, das du nicht sinnlos zerst ö ren solltest.«
    »Vierzig Jahr früher wäre diese alte Frau ein gutes Zuchtobjekt für mich gewesen.«
    »Und wenn ich ihr nun eine Heimat gegeben habe, m a che ich dir doch keine Konkurrenz damit.«
    »Nein. Aber du hast andere, jüngere. Dein Hausmä d chen …«
    »Sie ist meine Tochter.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Sie ist noch unverheiratet. Bring ihr einen Mann. Wenn sie ihn mag, soll sie ihn heiraten und intere s sante Kinder zur Welt bringen. Wenn sie ihn nicht mag, suche ihr einen anderen.
    Aber ein Mann genügt für sie, Doro. So, wie für meinen Sohn eine Frau genügt.«
    »Ein Mann und eine Frau genügen, so, so! Und das ist das Beispiel, das du ihnen vorlebst. Begnügst du dich auch mit einem Mann? Oder soll ich sogar annehmen, du schläfst allein, seitdem dein Gatte g e storben ist?«
    »Wenn sich bei meinen Kindern irgendwelche Anze i chen dafür zeigten, daß sie so alt werden wie ich, dürften sie tun, was ihnen gefällt.«
    »Vielleicht werden sie so alt wie du.«
    »Aber nicht, wenn du über sie bestimmst, Doro. Nicht, wenn du sie zu Tieren machst. Was würde aus meinem Sohn werden, wenn ich ihn dir überließe? Ein zweiter Thomas! Du bist unablässig unterwegs, bist beschäftigt mit der Leitung deiner zehn – oder gar zwanzig – Siedlungen. Aber du kannst dich ke i ner einzigen so widmen, wie sie es verdiente. Ich habe nur die Menschen auf dieser Plantage, und ich kümmere mich um einen jeden von ihnen. Ich m a che dir das Angebot, deine Kinder mit den meinen zu ve r mählen. Und wenn eins der Kinder, die dieser Verbindung entspringen, schwierig und schwer zu behandeln sein sol l te, ich werde mich darum kü m mern. Bei mir braucht sich niemand in die Wälder zu verkriechen, im Suff zu leben und seinen Körper völlig verkommen zu lassen, bis er nur noch ein Wrack, eine Ruine seiner selbst ist.«
    Zu ihrer Überraschung zog er sie an sich, wie Luise es getan hatte, und lachte. Er nahm ihren Arm und zog sie – immer noch lachend – hinüber zu den Sklavenhütten. Er verstummte erst, als er eine Tür aufgestoßen hatte und in das saubere und gediegene Innere des Wohnraumes blickte. Es gab eine große, gemauerte Feuerstelle mit einem Koc h topf, der über der fast erloschenen Kohlenglut hing. Es gab ein breites Bett in einer Ecke und daneben eine Wiege. Es gab einen Tisch und vier Stühle, selbstgezimmert, aber sorgfältig und geschmackvoll gearbeitet. Es gab eine Hol z truhe und einen Wassereimer mit einem Schöpflöffel. Von der Decke hingen Bündel getrockneter Kräuter und Kor n garben, und an der Wand hinter der Feuerstelle waren Ke s sel und Pfa n nen und sonstige Küchengeräte aufgereiht. Der ganze Raum spiegelte Ordnung und bescheidenen Woh l stand. Es war ein schlichter und doch behagl i cher Ort, an dem es sich leben ließ.
    »Zufrieden?« fragte Anyanwu.
    »Ich habe eine ganze Reihe von Leuten, Schwarze und Weiße, die nicht so wohnen.«
    »Ich nicht.«
    Er versuchte sie in den Raum hineinzuziehen. Zu den Stühlen oder zum Bett – sie war sich nicht darüber im kl a ren – doch sie sträubte sich.
    »Das ist das Heim anderer«, sagte sie. »Wir können ins Haus zurückgehen, wenn du magst.«
    »Nein. Später vielleicht.« Er legte den Arm um ihre Hüfte. »Du mußt mir wieder etwas zu

Weitere Kostenlose Bücher