Wilde Saat
jedenfalls, daß sich deutliche Veränderungen auf der Plantage abzeichneten, seit Doro sich hier aufhielt und den Menschen seinen Willen au f zwang, wä h rend Anyanwu tatenlos dabeistand und Doro wide r spruchslos gewähren ließ. Die Katastrophe jedoch begann, als Doro eines Tages Joseph Toler als Eh e mann für eine von Anyanwus Töchter anbrachte. Die Pflegeeltern des jungen Mannes hatten diesen sehr verwöhnt. Sie hatten zugelassen, daß er seine Zeit mit Trinken, Spielen und H u ren verbrachte, und J o seph Toler setzte dieses Leben des Müßiggangs und der Faulenzerei auch auf der Plantage fort. Dabei war er ein ungewöhnlich hübscher Mann – von gesunder, brauner Hautfarbe, mit vollem schwarzen Krau s haar, groß, schlank und stattlich. Anyanwus Tochter Ma r garet Nueka war hingerissen von ihm. Sie akzeptierte ihn auf der Stelle. Auch einige andere Leute auf der Plantage waren sehr von ihm angetan. Obwohl er nicht daran dachte, auch nur einen einz i gen Handschlag zu verrichten, konnte Anyanwu ihn weder ausschließen noch fortschicken. Das Unheil war unausweichlich. Schon wenige Wochen nach Joseph Tolers Ankunft auf der Plantage überspannte er den Bogen, und es kam zwischen ihm und Anyanwus Sohn Stephen zu einer Auseinanderse t zung.
Anyanwu war allein, als Stephen eintrat und ihr beric h tete, was sich ereignet hatte. Sie war soeben von der B e handlung eines Vierjährigen zurückgekehrt, der zum Fluß gelaufen und von einer Mokassi n schlange gebissen worden war. Sie hatte in ihrem Körper ein Gegengift herstellen müssen, womit sie die Wirkung des Schlangenbisses au f zuheben ve r mochte. Das Ganze war für sie kein besonderes Problem gewesen, denn sie hatte sich gleich zu Beginn i h res Aufenthaltes in Louisiana von einer so l chen Schlange beißen lassen. Die Herstellung des Gegengifts war deshalb eine Sache von S e kunden für sie, Allerdings pflegte sie danach ein reichliches Mahl zu sich nehmen, und so fand der stark mitg e nommene Stephen sie im Speiseraum beim Essen.
»Du solltest diesen stinkfaulen, nichtsnutzigen Bastard endlich feuern!« sagte er.
Anyanwu seufzte. Es brauchte keiner Frage, um zu wi s sen, wen der Junge meinte. »Was hat er getan?«
»Er hat versucht, Helen Gewalt anzutun.«
Anyanwu ließ ein Stück Maisbrot fallen, in das sie be i ßen wollte. Helen war ihre jüngste Tochter, ein Kind von elf Jahren. »Er hat was?«
»Ich entdeckte sie in der Duran-Hütte. Er war dabei, ihr die Kleider vom Leib zu reißen.«
»Ist sie in Ordnung?«
»Ja. Sie ist auf ihrem Zimmer.«
Anyanwu erhob sich. »Ich werde mich gleich um sie kümmern. Wo ist Joseph?«
»Er liegt vor der Duran-Hütte.«
Anyanwu ging hinaus. Noch wußte sie nicht, ob sie dem jungen Mann eine weitere Tracht Prügel vera b reichen oder sich um seine Wunden kümmern wü r de, falls Stephen ihn ernsthaft verletzt hatte. Welch ein Tier war er, daß er ve r sucht hatte, ein Kind zu vergewaltigen! Wie konnte Anya n wu es nach diesem Vorfall noch verantworten, ihn we i terhin auf der Plantage zu dulden. Doro würde ihn von hier for t schaffen müssen. Seine Zuchtpläne sollte der Te u fel holen!
Der junge Mann bot keinen schönen Anblick mehr, als Anyanwu ihn fand. Er war einen Kopf größer als Stephen und bärenstark trotz seiner Trägheit. Aber Stephen hatte viel von Anyanwus Körperkraft geerbt, und er verstand es, sie einzusetzen, trotz se i ner ein wenig unterentwickelten, noch nicht wieder ganz ausgewachsenen Arme und Hände.
Das Gesicht des jungen Mannes war eine einzige, blut i ge Masse. Sein Nasenbein war gebrochen, und außerdem hatte er einige Zähne verloren. Die Augen waren zug e schwollen, das linke Ohr hing nur noch an einem Hautzi p fel. Man würde es ihm abnehmen müssen, und er würde aussehen sie ein Sklave, den man für einen Fluchtve r such bestraft hatte.
Josephs Körper unter dem zerrissenen Hemd war voller Schwellungen und Platzwunden. Anyanwu war sicher, daß er einige Rippen gebrochen hatte. Er würde nie wieder ein gutaussehender Mann sein. Seine Schönheit war dahin. Als Anyanwu seine Rippen abtastete, kam er zu sich. Er stöh n te, fluchte und hustete, und während er hustete, wand er sich vor Schmerzen.
»Sei still«, sagte Anyanwu. »Atme flach, und vers u che, nicht mehr zu husten!«
Joseph ließ ein Wimmern hören.
»Sei froh, daß es Stephen war, der dich erwischte«, sa g te sie. »Wenn ich es gewesen wäre, hättest du dich nie mehr im Leben für eine Frau interessiert, das
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