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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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sie e r schrak bei der Feststellung, daß sie ihn wiedererkannte. Seine Berührung war unverkennbar seine Berührung, u n terschied sich deutlich von der Art der andern. Jedes Tier vermittelte Anyanwu eine andere Empfindung, wenn es seinen Leib an dem ihren rieb.
    Plötzlich sprang das Männchen aus dem Wasser, schoß in hohem Bogen durch die Luft und tauchte einige Körperlä n gen von ihr entfernt wieder ein. Anyanwu fragte sich, wa r um sie das nicht schon selbst versucht hatte, schnellte aus dem Wasser und machte einen kurzen Satz durch die Luft. Ihr De l phinkörper war wunderbar geschmeidig. Sie schien gleichsam über dem Wasser zu schweben, und das Einta u chen gelang ihr glatt und ohne Schwierigkeiten. Leicht und spielerisch vollführte sie den näc h sten Sprung. Dies war die beste Körperform, in die sie sich jemals ve r wandelt hatte. Wenn nur die Delphi n sprache genauso leicht zu erlernen war wie die Delphinbewegungen! Warum war die Sprache schwerer zu lernen? Warum war Doro ihr darin übe r legen? Beherrschte er die neue Sprache sofort mit der Übernahme des neuen Körpers? Eignete er sich diesen Körper wirklich an, und stellte er nicht nur ein D u plikat von ihm her?
    Ihr Delphinmännchen glitt heran, um an ihr entlangzus t reichen, und ließ sie alle Gedanken an Doro ve r gessen. Sie erkannte, daß das Interesse des De l phins nicht mehr nur nebensächlicher Natur war. Er blieb ganz dicht bei ihr, b e rührte sie immer wieder und paßte seine Bewegungen den ihren minutiös an. Anyanwu stellte fest, daß ihr seine Au f merksamkeiten nicht unangenehm waren. In der Verga n genheit hatte sie eine Paarung mit Tieren vermieden. Sie war eine Menschenfrau. Die geschlechtliche Vere i nigung mit Tieren galt als Unzucht. Bei der Rückkehr in ihre me n schliche Gestalt hätte sie sich befleckt gefühlt mit dem S a men eines männlichen Ti e res in ihrem Leib.
    Doch nun … wieder einmal war ihr, als seien die De l phine keine Tiere.
    Sie vollführte eine Art Tanz mit dem Delphinmän n chen. Sie berührten sich und trennten sich wieder voneinander. Es war ein Ritual, beschwingt und ernsthaft, und noch nie hatte ein menschliches Ritual sie so in seinen Bann gezogen. He f tiges Verlangen wechselte mit dem Gefühl strenger Zurüc k haltung. In ihr waren Bereitschaft und Able h nung zugleich. Doch sie wußte, sie würde seinem Werben nachg e ben, hatte es innerlich bereits getan. Er war gewiß nicht viel anders, als der Ogbanje Doro. Vielleicht war im Augenblick die Zeit für ungewöhnliche und abartige Pa a rungen.
    Sie setzte den Tanz fort, wünschte, sie besäße eine M e lodie, die sich als Begleitung eignete. Das Männchen schien eine solche Melodie zu kennen. Sie fra g te sich, ob er sie nach der Paarung verlassen werde, und sie hielt es für wahrscheinlich.
    Jedenfalls würde es kein sehr bitterer Abschied für sie sein. Doch darüber konnte sie später noch nac h denken. Es war unwichtig. Worauf es jetzt ankam, war nur dieser A u genblick.
    Aber dann plötzlich erkannte sie die Gestalt eines Me n schen im Wasser. Erschreckt unterbrachen Anyanwu und das Delphinmännchen ihren Liebe s tanz und entfernten sich ein Stück vom Schiff. Auch die anderen Delphine hatten den Mann bemerkt und flohen. Der Mann verfolgte sie, manchmal unter Wasser, manchmal über Wasser. Dabei machte er weder Schwimmbewegungen, noch sprang oder tauchte er. Es machte den Eindruck, als schieße er wie ein Pfeil durch das Wasser oder durch die Luft, indem er se i nen Körper völlig reglos hielt. Nicht einmal ein Muskel bewegte sich an ihm.
    Schließlich trennte sich Anyanwu von dem Schwarm und näherte sich dem Mann. Sie wußte, daß es Isaak war. Er sah anders aus als sonst, sein Körper war plump, steif und unförmig, allerdings nicht besonders häßlich oder b e ängstigend. Und doch war er eine Bedrohung für sie, denn es gab für ihn keinen Grund, weshalb er nicht wieder A p petit auf Delphi n fleisch verspüren sollte, wie es gestern der Fall g e wesen war. Er konnte sich ein zweites Mal ein Tier aus dem Schwarm holen, um es zu töten, wenn sie nicht ve r suchte, ihn davon abzuhalten. Sie wendete und glitt auf ihn zu – langsam, damit er sie sehen konnte und wußte, daß sie nicht in feindlicher A b sicht kam. Sie war sicher, daß er sie von den anderen nicht unterscheiden konnte. Sie u m kreiste ihn vo r sichtig, wobei sie die Kreise immer enger zog. Er hatte seine Geschwindigkeit verlangsamt und schwebte dicht über der

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