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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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Verpflichtungen und ihrer Fam i lie entflogen. Doch nach einer Weile war sie zurückg e kehrt. Wohin hätte sie gehen sollen! Später einmal, wenn ihre Leute auf eigenen Füßen stehen konnten, wenn sie f ä hig waren, sich selbst zu helfen, wenn sie zu einem großen, starken Stamm herangewachsen waren, ja, dann würde sie von zu Hause fortfliegen. Allem würde sie entfliehen. D a bei war sie sich immer der Gefährlichkeit ihres Tuns b e wußt gewesen. Männer konnten Jagd auf sie machen. Ei n mal war sie nur um Haaresbreite dem Pfeil eines Jägers entgangen. Und dennoch:
    Furcht hatte sie niemals vom Fliegen abgehalten. Und Furcht würde sie auch nicht davon abhalten, sich den We l len des Meeres anzuvertrauen.
    »Ich möchte es«, erklärte sie Doro. »Und ich tue es auch ohne Isaak, wenn du ihm verbietest, mir zu he l fen.«
    Doro schüttelte den Kopf. »Bist du so auch zu deinen and e ren Ehemännern gewesen? Eigensinnig, unabhängig und ohne auf ihre Wünsche einzug e hen?«
    »Ja«, antwortete sie ernst und war erleichtert, als er in ein lautes Lachen ausbrach. Besser, ihn zu erhe i tern, als seinen Zorn zu entfachen.
    Am nächsten Tag stand sie an der Reling und beobacht e te Doro und Isaak, die in englischer Sprache miteinander r e deten. Das Gespräch wurde mit einer gewissen Heftigkeit geführt, und es war Isaak, der seine Erregung kaum zu bändigen vermochte. Doro sprach eigentlich nur wenige Worte, die er später mit großer Eindringlichkeit wiederho l te. Von dem, was Isaak sagte, verstand Anyanwu nur ein einziges Wort, das er Doro immer wieder und voller En t setzen ins Gesicht schrie. Dieses Wort hieß: Haie. Sein Zorn verrauchte jedoch sehr bald, als er sah, daß D o ro sich nicht aus der Ruhe bringen ließ und ihm nach einer Weile keine Aufmerksamkeit mehr schenkte.
    »Isaak hat Angst um dich«, sagte Doro und kehrte Isaak den Rücken.
    »Wird er mir helfen?«
    »Ja – obwohl ich ihm gesagt habe, daß es nicht unb e dingt notwendig ist.«
    »Ich dachte, du hättest für mich gesprochen.«
    »Weder noch. In diesem Fall habe ich nur den Dolme t scher gespielt.«
    Sein Verhalten beunruhigte sie. Er war weder zornig noch verärgert. Auch besorgt schien er nicht zu sein wegen ihr und Isaak. Dabei hatte er noch gestern beteuert, wie wic h tig sie für ihn war. »Was sind Haie?« fragte sie.
    »Fische«, erwiderte Doro. »Unersättliche Fleisc h fresser. Killerfische, die im Wasser zumindest g e nauso gefährlich sind, wie auf dem Land der Le o pard.«
    »Du hast mir nichts davon gesagt, daß es solche F i sche gibt.«
    Er blickte aufs Meer hinaus. »Es ist da unten weitaus g e fährlicher als in den Wäldern«, meinte er. »Niemand zwingt dich zu dem, was du vorhast.«
    »Du hast dir keine große Mühe gegeben, mich davon abz u halten.«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich möchte wissen, ob du es kannst oder nicht.«
    Er erinnerte sich an einen seiner Söhne, der, als er noch sehr jung war, mehrere Hühner in den Fluß geworfen hatte, weil er wissen wollte, ob sie schwimmen konnten.
    »Bleib in der Nähe der Delphine, wenn sie es zula s sen«, sagte Doro. »Delphine wissen, wie man mit Haien u m geht.«
    Anyanwu legte das Tuch ab, das sie um ihre Hüften g e schlungen hatte, und sprang ins Wasser, bevor ihr Mut sie endgültig verließ. Sie begann mit der Ve r wandlung, die sie nur so schnell vollführte, wie es ihr ohne Schmerzen mö g lich war. Sie wurde zu dem Delphin, dessen Fleisch sie gegessen hatte.
    Dicht neben der Schiffswand glitt sie durchs Wasser. Mit leichten Schwanzschlägen trieb sie ihren bie g samen Körper vorwärts durch die Fluten. Ihre Art zu sehen hatte sich ve r ändert, ihre Augen befanden sich seitwärts, nicht mehr an der Vorderseite des Kopfes. Der Kopf selbst hatte eine gedrungene, schnabelart i ge Form angenommen. Auch ihr Atem ging anders, zumindest hatte sich ein anderer Rhythmus einge s tellt. Sie atmete nur noch dann, wenn sie das Bedürfnis dazu verspürte. Mit einer leichten Aufwär t sbewegung tauchte sie an die Wasseroberfläche. Ein kurzes Ausstoßen der Luft durch das Nasenloch, a n schließend der umgekehrte Vorgang des Einatmens, und die Lungen wa r en wieder für verhältnismäßig lange Zeit gefüllt. Sie be o bachtete jede Einzelheit mit minutiöser Genauigkeit und stellte überrascht fest, daß ihr Delphinleib mit der eingea t meten Luft viel sparsamer und wirkungsvoller umging als ihr menschlicher Körper. Der Delphinkörper beherrschte Mechanismen, die sie

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