Wilde Saat
einem ganz bestimmten Grund.«
»Was für einen Grund meinst du?«
Isaak schaute zur Seite. »Sie fragen mich, wer für sie sorgen wird, wenn sie einmal alt sind. Ich sagte ihnen, du würdest mit ihnen darüber reden.«
Doros Lippen umspielte ein dünnes Lächeln. Isaak brachte es nicht fertig, die Leute anzulügen, von d e nen er wußte, daß Doro sie als Beute vorgesehen hatte. Meist weigerte er sich, solchen Menschen überhaupt etwas zu sagen. Aber oft erfüllte diese Menschen eine Ahnung, daß etwas mit ihnen geschehen würde, und sie ergriffen in p a nischem En t setzen die Flucht. Doro machte es Freude, sie zu jagen und wieder einzufangen. Lann Sloane, dachte D o ro, verspricht eine besonders spannungsreiche Jagd. Der Mann strömte eine Art von animalischer Vorsicht aus.
»Anyanwu würde jetzt sagen, daß du wieder dein Le o pardengesicht aufgesetzt hast«, bemerkte Isaak.
Doro zuckte die Schultern. Er wußte, was Anyanwu s a gen würde. Sie meinte es ernst, wenn sie ihn mit dem einen oder anderen Tier verglich. Früher einmal hatte sie solche Dinge ohne Furcht und ohne Zorn gesagt. Aber nun klang Haß aus ihren Worten, wenn sie so sprach. Sie war drauf und dran, sich ihn zu ihrem erbittertsten Feind zu machen. Gewiß, sie g e horchte ihm. Sie war höflich und freundlich. Aber sie hatte einen Groll gegen ihn aufgespeichert, wie er es noch nie bei einem Menschen erlebt hatte. Daß sie noch am Leben war, verdankte sie Isaak. Doro wu ß te, sie würde sich geweigert und den Tod auf sich genommen haben, wenn er versucht hätte, sie einem seiner anderen Söhne zur Frau zu geben. Er hatte zu erfahren versucht, wie es Isaak gelungen war, sie zu einer Sinnesänderung zu bewegen. Als sie die Antwort verweigerte, fragte er Isaak. Zu seiner Ve r blüffung schwieg auch Isaak. Sein Sohn lehnte sich nie g e gen ihn auf und erzürnte ihn nur selten. Aber di e ses eine Mal …
»Du hast sie mir gegeben«, hatte Isaak entgegnet. »Nun muß es Dinge geben, die nur mir und ihr geh ö ren.« Der Ausdruck in Isaaks Gesicht und seine Stimme hatten Doro klargemacht, daß er mehr aus seinem Sohn nicht herausb e kommen würde. Noch am folgenden Tag hatte Doro Wheatley verlassen, darauf vertrauend, daß Isaak alles Notwendige erl e digen werde: Heirat der Frau, Bau eines Hauses, Anyanwus Eingewöhnung in das ungewohnte L e ben der Siedlung, Wahl einer Beschäftigung für sich und Sorge für seine Nachkommenschaft. Mit seinen fünfun d zwanzig Jahren war Isaak schon äußerst f ä hig, und Doro hatte sich nicht getraut, noch länger in seiner und Anya n wus Nähe zu bleiben. Die Stärke der eigenen Verärgerung belustigte Doro. Normalerwe i se hatten Menschen, die sich ihm widersetzten, für ihren Fehler mit dem Tod zu büßen. Er wußte nicht, wie lange es her war, daß ihn jemand e r zürnte, den er am Leben ließ. Doch sein Sohn und diese schwarze, kleine Wilde aus dem Busch – die zu ihrem Glück das beste Wildsaatmaterial war, das er jemals gefu n den hatte – waren am Leben geblieben. De n noch gab es in Anyanwu keine Vergebung. Wenn sie auch gelernt hatte, ihren Mann zu lieben, sie hatte nicht gelernt, dem Vater Isaaks zu verg e ben. Hier und da bemühte sich Doro, den Panzer ihrer Hö f lichkeit, ihrer beherrschten Feindseligkeit zu durchdringen. Er versuchte, sie aufzubrechen, zu erre i chen, daß sie wieder so wurde, wie sie war, als er sie von ihrem Volk weggeholt hatte. Doro war es nicht gewohnt, daß die Menschen sich ihm widersetzten oder ihn gar ha ß ten. Diese Frau war ein Rätsel, das er noch nicht gelöst ha t te – und nur aus diesem Grunde lebte sie noch, nachdem sie ihm acht und Isaak fünf Kinder geschenkt hatte. Sie würde zu ihm zurückkehren ohne ihre Kälte. Sie würde sich wieder jung machen für ihn, ohne daß er sie dazu au f fordern mußte. Und dann, nachdem er zufriede n gestellt war, würde er sie töten.
Bei dem Gedanken daran leckte er sich die Lippen. Als Isaak hustete, blickte Doro seinen Sohn liebevoll an und korrigierte seinen Entschluß. Anyanwu würde am Leben bleiben, bis Isaak starb. Sie hielt ihn gesund. Vielleicht verdankte Isaak es nur ihr, daß er noch nicht gesto r ben war. Natürlich hatte Anyanwu dabei auch den eigenen Nutzen im Sinn. Isaak hatte sie für sich g e wonnen, wie er jeden Menschen für sich gewann, und sie wollte ihn nicht verli e ren, wollte ihn, so lange es möglich war, vor dem Tod b e wahren. Selbstsüchtige Gründe, doch das machte Doro nichts auch. Anyanwu
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