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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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zungen anzufordern, wie er es in Wheatley und einigen and e ren Siedlungen seit einiger Zeit zu tun pflegte. Dieser Besuch galt ausschließlich seinen Kindern – zwe i undvierzig an der Zahl, vom kleinsten angefangen bis zu Isaak. Er kam aus ke i nem anderen Grund in die Stadt, als dem, sie zu sehen. Die anderen Leute ließen ihn dann in R u he. Und falls jemand sich in einer verzweifelten Notlage befand, wandte er sich nicht an Doro, sondern an de s sen Kinder.
    »Komm herein«, sagte Isaak. »Trink einen Schluck Bier, und iß etwas mit uns!« Er hatte nicht die dünne und kräc h zende Stimme eines alten Mannes. Seine Stimme klang wohltönend und tief, was die Autor i tät, die er ausstrahlte, noch erhöhte. Doch was Doro darin vernahm, war nicht Autorität, sondern ung e künstelte, ehrliche Freude.
    »Jetzt keine Speise«, sagte Doro. »Wo ist Anya n wu?«
    »Sie sieht nach dem Sloane-Baby. Mrs. Sloane wartete zu lange, bis sie Anyanwu um Hilfe bat. Das Kind wurde krank und wäre beinahe gestorben. Anyanwu wäre fast zu spät gekommen. Sie stellte fest, daß das Kind eine Lunge n entzündung hat.« Isaak füllte zwei Krüge mit Bier.
    »Geht es ihm wieder besser?«
    »Wie Anyanwu sagt, ja. Sie hat einen unbändigen Zorn auf die Sloanes. Die beiden leben doch inzw i schen lange genug hier, um zu wissen, was in einem solchen Fall zu tun ist. Obwohl Anyanwu ganz in ihrer Nähe wohnt, lassen sie das Kind leiden!« Isaak machte eine Pause. »Aber sie h a ben Angst vor ihr, weil sie eine Schwarze ist und solche Macht besitzt. Sie halten sie für eine Hexe und glauben, die Ar z neien, die sie herstellt, seien vergiftet.«
    Doro runzelte die Stirn und nahm einen langen Schluck. Die Sloanes waren seine letzten Wildsaat-Leute – ein Eh e paar, das sich gefunden hatte, bevor Doro sie entdeckte. Sie waren gefährlich und unzuverlässig und von einem schmerzhaft übersteigerten Empfindungsvermögen. Selbst die Gedanken anderer Menschen hörten sie in der Lautstä r ke einer Explosion. Erhielt einer von ihnen einen Schmer z stoß, eine Empfindung von Angst, Furcht oder sonst einer starken Gefühlsr e gung, übertrug sich das sofort auf den anderen. Be i de durchlitten unvorstellbare Qualen. Nichts davon war gewollt, und keiner von beiden war in der Lage, diese Empfindungen unter Kontrolle zu bringen. Sie g e schahen einfach in ihnen. Hilflos waren die Slo a nes den Folgen ihrer Sensitivität ausgeliefert. In ihrer Ohnmacht kam es zwischen ihnen zu handfesten Auseinandersetzu n gen. Aus i h rem Heim drangen hysterische Schreie, und auch das Bemühen, Rettung im Alkohol oder in der Relig i on zu finden, half ihnen nicht. Doro hatte sie nach Whea t ley geholt. Sie stellten ein zu gutes Zuchtm a terial dar, um einfach nur Wildsaat zu bleiben. Doro war der festen Übe r zeugung, daß sie auf die eine oder andere Weise von se i nem Volk abstammten. In jedem Fall eigneten sie sich, wie viele seiner Unte r tanen, hervorragend als Beutekörper. Und sobald sie noch einige Kinder g e zeugt hatten, beabsichtigte Doro, sie beide zu übe r nehmen.
    Bis dahin jedoch würden sie weiterhin die schlechten E l tern bleiben, die sie waren. Leute mit ihrer Vera n lagung vernachlässigten und quälten ihre Kinder – nicht aus ang e borener Grausamkeit, sondern weil die Leiden ihrer Kinder ihnen solch starke Schmerzen bereiteten, daß sie darüber fast den Verstand verl o ren. Menschen dieser Art waren unberechenbar, und oft genug konnte es geschehen, daß sie ihre eigenen Kinder umbrachten. Doro hatte nicht geglaubt, daß es mit den Sloanes so weit kommen könnte. Nun wu r de er plötzlich nachdenklich.
    »Isaak?«
    Isaak blickte auf. Er hatte Doros unausgesprochene Fr a ge verstanden. »Ich nehme an, du willst die Slo a nes noch eine Zeitlang am Leben lassen.«
    »Ja.«
    »Dann würdest du dich am besten nach einer Unterbri n gungsmöglichkeit für das Kind umsehen – und für all die anderen Kinder, die sie noch haben werden. Anyanwu sa g te, die beiden hätten nie ein Kind haben dürfen.«
    »Was für mich bedeutet, daß sie so viele bekommen sollten, wie nur eben möglich.«
    »Von deinem Standpunkt aus ja. Für dich sind es äußerst brauchbare Leute. Ich habe übrigens schon mit ihnen dar ü ber gesprochen, daß sie das Kind zur Adoption freigeben.«
    »Gut. Und?«
    »Sie fürchten das Gerede der Leute. Ich habe den Ei n druck, daß sie das Kind gerne loswerden wollen. Wenn sie auf meinen Vorschlag noch nicht eing e gangen sind, dann aus

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