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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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Gedanken, der sich ihm zu en t ziehen suchte. Anyanwu hatte den Eindruck, daß er nicht nur passiv ihre Gedanken aufnahm, so n dern auch von sich aus bemüht war, sie wahrzune h men. Schließlich jedoch gab er auf. Er zuckte die Schultern und seufzte. »Konntest du i r gendeinem dieser anderen helfen?«
    »Manchmal ja. Manchmal ist es mir gelungen, gefährl i che Geschwulste und Wucherungen zu entfernen, die A u gen eines Blinden zu öffnen, Wunden zu heilen, die von selbst nicht heilen wollten …«
    »Aber du kannst einen nicht von Stimmen und Gesic h ten befreien, nicht wahr?«
    »Du meinst die Gedanken anderer Menschen, die du hörst?«
    »Ja, die. Und das, was ich sehe. Manchmal kann ich Wir k lichkeit und Gesichte nicht voneinander untersche i den.«
    Traurig schüttelte sie den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte es. Ich habe andere gesehen, die dieselben Qualen erlitten wie du. Meine Fähigkeiten sind größer als die F ä higkeiten derjenigen, die ihr Ärzte nennt. Aber sie sind nicht so groß, wie ich es mir wünsche. Ich glaube, ich bin genauso u n vollkommen und mißraten wie du.«
    »Alle Kinder von Doro sind mißraten – Götter mit t ö nernen Füßen.«
    Anyanwu verstand die Anspielung. Sie hatte das Heilige Buch ihres neuen Landes gelesen, die Bibel, in der Hof f nung, die Menschen ihrer Umgebung be s ser verstehen zu können. In Wheatley erzählte Isaak den Leuten, daß sie Christin werden wolle. Einige von ihnen merkten nicht, daß er nur einen Scherz machte.
    »Ich wurde nicht für Doro geboren«, offenbarte sie Thomas. »Ich bin das, was er Wildsamen oder Wil d saat nennt. Aber das macht keinen Unterschied. Auch ich bin irgen d wie mißraten.«
    Er sah sie an, dann senkte er den Blick. »Nun, trot z dem bin ich nicht so mißraten und unvollkommen, wie du denkst. Ich bin nicht impotent.«
    »Gut. Denn wenn das der Fall wäre und Doro fände es heraus … Er könnte zu der Erkenntnis kommen, du seist nicht länger nützlich für ihn.«
    Es war, als habe sie etwas Entsetzliches ausgespr o chen. Er zuckte zusammen, starrte sie mit einem wilden Au s druck in den Augen an, so daß sie instinktiv einen Schritt zurückwich. Dann fragte er: »Was ist mit dir? Was kü m mert es dich, was mit mir geschieht? Wie kannst du zula s sen, daß Doro dich mit anderen paart wie eine gottve r dammte Kuh – und das mit einem Menschen wie mir! Du bist nicht wie die anderen.«
    »Du hast doch gesagt, ich sei eine Hündin, eine schwa r ze Hexe.«
    Sogar durch den Schmutz sah sie, daß er rot wurde. »Es tut mir leid«, murmelte er nach sekundenlangem Schwe i gen.
    »Gut. Ich hätte dich beinahe geschlagen, als du es sa g test – und ich bin sehr stark.«
    »Daran zweifle ich nicht.«
    »Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Doro von mir verlangt. Er weiß das. Ich sagte es ihm.«
    »Dann bist du die einzige, die das tut.«
    »Ja. Deshalb bin ich hier. Die Dinge sind für mich nicht schon deshalb gut, nur weil er es sagt. Er ist nicht mein Gott. Er brachte mich zu dir als Strafe für meinen Frevel.« Sie lächelte. »Aber er versteht nicht, weshalb ich mich li e ber zu dir lege als zu ihm.«
    Thomas schwieg lange Zeit, so daß sie besorgt die Hand ausstreckte und seinen Arm berührte.
    Er schaute sie an, lächelte, ohne seine schlechten Zähne zu zeigen. Sie hatte ihn noch kein einziges Mal lächeln g e sehen.
    »Sei vorsichtig!« sagte er. »Doro darf nie erfahren, wie abgrundtief dein Haß ist.«
    »Er weiß es seit vielen Jahren.«
    »Und du bist noch am Leben. Du mußt sehr wertvoll sein!«
    »Ja, das muß ich wohl«, stimmte sie bitter zu.
    Thomas stieß einen Seufzer aus. »Auch ich sollte ihn hassen. Aber ich tue es nicht. Ich kann es nicht. Doch ich glaube, ich bin froh, daß du es tust. Bisher bin ich noch nie einem Menschen begegnet, der das gewagt hätte.« Nach einigem Z ö gern hob er seine nachtdunklen Augen zu ihr auf. »Aber sei vorsic h tig!«
    Sie nickte. Der Gedanke kam ihr, daß er sie an Isaak erinnerte. Auch Isaak war ständig besorgt um sie.
    Dann stand Thomas auf und ging zur Tür.
    »Wohin gehst du?« fragte Anyanwu.
    »Zum Fluß hinter dem Haus, um mich zu waschen.« Wieder dieses Lächeln, schüchtern, verlegen. »Glaubst du wirklich, du könntest einmal nach meinen Wunden scha u en? Einige von ihnen habe ich schon sehr lange.«
    »Ich werde sie heilen. Aber sie werden wiederko m men, wenn du deinen Körper nicht sauber hältst und nicht mit dem Trinken aufhörst. Ernähre dich von festen

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