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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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war, hörte er sie nicht deutlich genug.
    »Ich denke, du wirst dich damit abfinden müssen, daß ich eine Schwarze bin«, sagte sie, und nun sprach Feinds e ligkeit aus ihrer Stimme. »So sehe ich nun einmal aus. Noch nie hat jemand gesagt, ich sei häßlich!«
    Er seufzte. »Nein, das bist du nicht. Nicht, wenn man dich aus der Nähe sieht. Es ist nur, weil ich …« Er ve r stummte, benetzte seine Lippen. »Es ist nur, weil ich glaubte, du könntest dir ein wenig das Aussehen meiner Frau geben.«
    »Du hast eine Frau?«
    Er rieb und kratzte über eine Wunde an seinem Arm, die durch ein Loch in seinem Ärmel zu sehen war. Die Wunde schien schlecht zu heilen, sie war entzündet und voller E i ter.
    »Ich hatte eine Frau«, antwortete er. »Groß und hübsch, mit Haaren so gelb wie Gold. Ich dachte, alles ginge gut, wenn wir nicht in einer Stadt lebten und keine Nachbarn in der Nähe seien. Sie war keine aus Doros Volk, aber er hatte nichts dagegen, daß ich sie heiratete. Er gab mir Geld, um etwas Land zu kaufen und mit dem Anbau von Tabak zu beginnen. Ich glaubte, es würde alles gut werden.«
    »Wußte sie, daß du ihre Gedanken lesen konntest?«
    Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Würde sie mich dann geheiratet haben? Kannst du dir übe r haupt eine Frau vorstellen, die das tun würde?«
    »Eine von Doros Leuten vielleicht. Eine, die ebenfalls Gedanken hören kann.«
    »Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte er voller Bitterkeit.
    Seine Worte erinnerten sie daran, daß einige von Doros Leuten so wie Thomas waren. Vielleicht nicht so empfin d sam wie er. Das Leben in der Stadt schien ihnen nichts auszumachen. Aber sie waren Tag und Nacht betrunken, suchten ständig Händel, mißbrauchten und vernachlässi g ten ihre Kinder. Und manchmal brachten sie sich sogar g e genseitig um, bevor Doro zur Stelle war und ihre Körper übe r nahm. Thomas hatte wahrscheinlich recht damit, daß er eine normale Frau geheiratet hatte.
    »Weshalb hat deine Frau dich verlassen?« fragte Anyanwu.
    »Ich brachte es nicht fertig, mich aus ihren Gedanken h e rauszuhalten, genausowenig, wie ich mich aus den de i nen heraushalten kann. Ich versuchte natürlich, es mir nicht a n merken zu lassen, aber manchmal hörte ich sie mit so l cher Deutlichkeit, daß ich ihr darauf antwortete, weil ich der Me i nung war, sie hätte laut zu mir gesprochen. Aber das war dann gar nicht der Fall gewesen. Sie begriff nicht, und …«
    »Und sie bekam Angst vor dir.«
    »Gott im Himmel, ja. Nach einiger Zeit war sie krank vor Angst. Sie lief zu ihren Eltern zurück und wollte mich nicht mehr sehen, als ich sie dort holen wollte. Ich kann ihr das nicht einmal übelnehmen, glaube ich. Danach gab es für mich nur noch die Frauen – wie dich, die Doro mir brachte.«
    »Wir sind gar nicht so schlecht, wie du denkst. Ich j e denfalls bin es nicht.«
    »Du kannst es nicht erwarten, wieder von mir fortz u kommen.«
    »Was würdest du für eine Frau empfinden, die am ga n zen Leib voller Eiterbeulen und Wunden ist?«
    Er blinzelte und blickte an sich hinab. »Ich nehme an, du bist es gewohnt, dich um solche Menschen zu kümmern.«
    »Natürlich. Wenn du es zuläßt, daß ich dir helfe, wird es dir bald bessergehen. In diesem Zustand konntest du deiner Frau nicht gefallen.«
    »Du bist nicht sie!«
    »Nein. Sie könnte dir nicht helfen. Ich kann es.«
    »Ich habe dich nicht um Hilfe gebeten!«
    »Hör zu. Sie ist dir fortgelaufen, weil du einer von D o ros Leuten bist. Du bist eine Hexe, und sie hatte Angst und Abscheu vor dir. Ich habe keine Angst, und mich ekelt es auch nicht vor dir.«
    »Du dürftest überhaupt nicht leben«, murmelte er ve r stockt. »Du bist viel mehr Hexe als ich. Ich gla u be immer noch nicht, was ich eben gesehen habe.«
    »Wenn meine Gedanken dich auch nur ab und zu erre i chen, solltest du glauben, was ich sage und tue. Ich habe dir keine Lügen erzählt, und ich habe dir nichts vorgega u kelt. Ich bin eine Heilerin. Ich lebe seit über dreihunder t fünfzig Jahren. Ich bin furchtb a ren Krankheiten begegnet, Aussatz und Wucheru n gen, die den Tod mit sich zogen. Ich habe Säu g linge gesehen mit großen, klaffenden Wunden an der Stelle, an der ihr Kopf hätte sein sollen, Mißgebu r ten, wie die ausgefallenste Phantasie sie sich nicht au s malen kann. Du bist wahrhaftig nicht der schlimmste Fall, der mir untergekommen ist.«
    Er starrte sie an, die Stirn gerunzelt, als forsche er a n gestrengt nach einem ihrer

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