Wilde Saat
fürchterlicher Schlag sein. Doch was konnte sie tun?
»Doro«, bat sie, »es ist genug. Ich habe verstanden. Mein Verhalten war falsch. Ich werde deine Worte nicht vergessen. Ich werde mich in Zukunft dir gegenüber ä n dern, das verspreche ich dir!«
Immer noch hielt sie seine Arme umfaßt und neigte den Kopf vor seinem glatten, jungen Gesicht. Inne r lich zitterte sie vor Zorn und Furcht und Haß. Doch nach außen hin war ihr Gesicht so glatt wie das se i ne.
Aber sie vermochte nichts gegen seine gekränkte Eite l keit, nichts gegen den unstillbaren Drang, sie zu verletzen und zu strafen. Er wandte sich Thomas zu. Und in diesem A u genblick begriff Thomas.
Fassungslos wich er zurück. »Warum?« brach es aus ihm hervor. »Was habe ich getan?«
»Nichts«, schrie Anyanwu, und ihre Hände um Doros Arm schlossen sich wie Eisenklammern. Er wü r de ihren Griff nicht lockern können. »Du hast nichts getan, Thomas. Du hast ihm ein ganzes Leben lang treu gedient. Doch jetzt will er dein Leben wegwerfen, in der Hoffnung, mich d a mit verletzen zu kö n nen. Lauf!«
Einen Moment lang stand Thomas wie versteinert.
»Lauf!« schrie Anyanwu. Doro versuchte wirklich, sie abzuschütteln – zweifellos ein Reflex seines Zorns, denn er wußte, daß er sich ihrem Griff nicht entwinden konnte. Und seine andere Waffe würde er nicht benutzen. Noch war er nicht fertig mit ihr. Sie trug ein Kind in ihrem Leib, das von unvorstellbarem Wert für ihn sein konnte.
Thomas rannte in Richtung Wald.
»Ich werde sie töten!« rief Doro. »Dein Leben oder das ihre!«
Thomas blieb stehen, blickte zurück.
»Er lügt«, sagte Anyanwu fast erleichtert. Mensch oder Teufel, eine Lüge würde sie ihm nicht durchla s sen. Nicht länger mehr. »Lauf Thomas. Er lügt nur!«
Doro versuchte sie zu schlagen, doch sie verstärkte ihren Griff. Die kleinste Bewegung würde ihm Schmerzen bere i ten. Sehr starke Schmerzen.
»Ich hätte mich dir unterworfen«, zischte sie an se i nem Ohr. »Ich hätte alles getan, was du verlangst.«
»Laß mich los«, forderte er sie auf, »oder du hast dein Leben verspielt. Es ist mein Ernst, Anyanwu. Jetzt ist es mein Ernst, hörst du?«
Plötzlich spürte Anyanwu die drohende Nähe des Todes. Wenn seine Stimme diesen Klang annahm, war er en t schlossen, zu töten. Es gab keinen Zweifel, was immer er auch sein mochte, Gott, Dämon oder Ogbanje, er war drauf und dran, den Körper des ju n gen Mannes zu verlassen und sich den ihren zu ne h men. Sie war zu weit gegangen. Doro konnte nicht mehr zurück.
Dann war Thomas da. »Laß ihn los, Anyanwu!« sagte er. Sie riß den Kopf herum und starrte ihn an. Sie hatte ihr L e ben riskiert, um ihm eine Chance zur Flucht zu geben – zumindest eine Chance –, und er kam zurück.
Er versuchte sie von Doro fortzuzerren. »Laß ihn los, habe ich gesagt. Er würde nur durch dich hindurc h gehen und zwei Sekunden später mich nehmen. Es gibt niema n den sonst hier draußen, der ihn ablenken könnte.«
Anyanwu schaute sich um und erkannte, daß Thomas recht hatte. Wenn Doro einen Wechsel vollzog, nahm er sich immer die Person, die ihm am nächsten war. Deshalb b e rührte er die Menschen manchmal. In einer Menge war die Berührung die Garantie d a für, daß er auch wirklich den Körper nahm, den er haben wollte. Wenn er sich zum Wechsel entschlo s sen hatte, und der nächste Mensch war hundert Meilen von ihm entfernt, nahm er diesen Me n schen. En t fernung spielte für ihn keine Rolle. Und wenn er Anyanwu in diesem Moment nicht mehr schonen wollte, dann konnte er sie benutzen. Er konnte durch sie hindurc h gehen, um Thomas zu erreichen.
»Was habe ich schon zu verlieren?« sagte Thomas. »Diese Hütte ist mein ganzer Besitz. Und meine Z u kunft würde furchtbar sein. Ich müßte hier bleiben, und bald schon wäre ich ein gebrechlicher alter Mann, der von Tag zu Tag i m mer wahnsinniger werden und sich die Seele aus dem Leib saufen würde. Nein, ich bin keiner, für den es sich zu ste r ben lohnt, Sonnenfrau. Selbst wenn du mich durch de i nen Tod retten könntest.«
Er ergriff Anyanwus Hände und befreite Doro aus ihrem Griff. Dann stieß er sie zurück und stellte sich zwischen sie und Doro.
Doro starrte die beiden an. Nichts Menschliches war mehr in seinen Augen.
Bei seinem Anblick glaubte Anyanwu, daß es für sie ke i ne Hoffnung mehr gebe. Sie und Thomas würden ste r ben.
»Ich war dir treu ergeben«, sagte Thomas zu Doro, als spräche er zu einem Mann, mit
Weitere Kostenlose Bücher