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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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beschloss, erst einmal nach Paris zu diesem Essen mit Florence LaRue zu fliegen. Inzwischen konnte er sich ja überlegen, was er Marie sagen würde.

Fünftes Buch –
DER VERDACHT

1
    Â»Ihr habt die Untersuchung eingestellt?« Marie sah Bernard Tessier fassungslos an.
    Â»Das ist das Übliche, wenn man nicht eine Spur findet. Wir können unsere Zeit nicht mit aussichtslosen Fällen verschwenden. Ich nehme an, das macht man in Paris nicht anders.« Bernard Tessier war ungeduldig. Was wollte Marie noch von ihm? Es gab einfach keinen Hinweis auf den Unfallfahrer. Und nachdem Célines Haus unglücklicherweise abgebrannt war, war er sich sicher, dass er nicht weiter suchen musste.
    Â»Es ist eine Tragödie. Aber wir müssen akzeptieren, dass wir den Täter nicht finden können.«
    Marie wusste, dass ihr Kollege recht hatte. Aber sie wollte es einfach nicht hinnehmen. Es durfte nicht sein, dass ein Mensch getötet wurde und man den Täter nicht zur Rechenschaft ziehen konnte. Sie war Polizistin geworden, weil sie für Gerechtigkeit sorgen wollte. Nicht nur für Ordnung auf den Straßen. Die Stelle als Streifenpolizistin hatte sie damals nur angenommen, weil es der einzige Job gewesen war, den sie in Paris bei der Polizei hatte bekommen können. Aber es war immer klar gewesen, dass sie sich über kurz oder lang für die Ausbildung zur Kriminalpolizistin bewerben würde. Man hatte ihr bescheinigt, dass sie gute Chance hatte, einen der begehrten Ausbildungsplätze auch zu bekommen. Am Tag vor dem Unfall hatte sie die Unterlagen für die Bewerbung abgeschickt. Thomas hatte ihre Pläne zwar belächelt – er war immer der Meinung gewesen, dass Marie mit ihrem guten Juraexamen ihr Talent bei der Polizei verschwendete –, doch sie hatte sich nicht beirren lassen. Sie wusste, dass sie ihren Weg bei der Polizei schon gehen würde. Umso mehr widerstrebte es ihr jetzt, Célines Tod einfach als abgehakt betrachten zu müssen. Natürlich wusste sie, dass Bernard Tessier mit seiner Einschätzung, dass man den Täter nicht finden konnte, richtiglag. Und sie konnte es ihm auch nicht verdenken, dass er über ihren Eifer lächelte. Er kannte das von jungen Polizisten, die nicht zugeben wollten, dass das Leben eben ganz anders spielte, als es in den schicken Fernsehkrimis so aussah. Das Leben und vor allem die Arbeit der Polizei. Sie wollten mit dem Kopf durch die Wand, wollten einfach nicht aufgeben. Und den Deckel einer Akte endgültig zu schließen, ohne dass die Untersuchungen Erfolg gehabt hätten, fiel ihnen schon deswegen immens schwer, weil es an ihrem Selbstbild als Polizisten kratzte.
    Brest zeigte sich an diesem Tag von seiner besonders hässlichen Seite. Der Himmel hing tief und grau über der Hafenstadt, deren Sechzigerjahre-Gebäude gleichförmig und vom ewig salzigen Atlantikwind verwittert die breiten, viel befahrenen Straßen säumten. Marie fröstelte, als sie Paul anrufen wollte, um sich mit ihm auf einen Kaffee zu treffen. Doch während sie wählte, fiel ihr ein, dass er auf dem Weg nach Paris war. Zu irgendeinem wichtigen Termin. Sie hatte vergessen, zu welchem. Es war eindeutig kein guter Tag. Sie beschloss, Merlin zu einem Spaziergang abzuholen, wie sie es Paul versprochen hatte. Wenn der Wind ihr das Hirn freipustete, würde sie sich vielleicht besser fühlen.
    Leon war froh, dass die Beerdigung vorbei war. Diese Zeit zwischen Célines Tod und ihrer Beisetzung hatte sich nach seinem Gefühl endlos hingezogen. Er hatte sich wie in einem Dämmerzustand gefühlt. Die Tage waren gleichförmig und grau vergangen. Wie viele es gewesen waren, hätte er nicht sagen können. Vielleicht war es ja richtig, wie es in südlichen Ländern gehandhabt wurde, dass die Toten oft schon am nächsten Tag beerdigt wurden. Denn erst dann, wenn der Sarg in die Tiefe gesenkt und mit Erde bedeckt wird, ist der Abschied endgültig vollzogen. Der Alltag konnte wieder beginnen. Es war eine anrührende Feier gewesen, die Claire mithilfe des jungen Pfarrers auf dem kleinen Friedhof hoch über dem Meer organisiert hatte. Die Menschen waren aus der ganzen Gegend gekommen, bis vor den Mauern des Friedhofs hatten sie gestanden, um von Céline Abschied zu nehmen. Und als die Sängerin Chantal das ergreifend einfache Abschiedslied gesungen hatte, zu dessen wehmütiger Melodie Célines weißer, mit

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