Wilde Wellen
Schlaftablette genommen und deswegen â¦Â«
Ihre Unruhe wuchs, als Mimi erklärte, dass sie Monsieur seit gestern Morgen nicht gesehen habe. Wo war er? Er hatte nach Brest zu Maître Jumas fahren wollen. Hatte er dort übernachtet? Weil er mit Jumas essen war und er danach keine Lust gehabt hatte, durch den Sturm nach Hause zu fahren? Aber wieso hatte er nicht angerufen? Das sah Leon nicht ähnlich. Die Angst fuhr ihr in die Glieder. Hatte er einen Unfall gehabt? Aber dann wäre sie doch benachrichtigt worden. Vielleicht war er mit dem Wagen von der StraÃe abgekommen und lag jetzt hilflos an der Klippe? Oder er hatte am Steuer einen Herzinfarkt gehabt? Bevor die Panik ungebremst von ihr Besitz ergreifen konnte, zwang sie sich, klar zu denken. Wahrscheinlich war der Akku seines Handys leer gewesen. Das kam öfter einmal vor, weil Leon sich nicht um diese elektronischen Hilfsmittel, die doch kein Mensch brauchte, wie er immer sagte, kümmerte. Als Céline noch lebte, hatte sie immer darauf geachtet, dass Leons Handy aufgeladen war, wenn er das Büro verlieÃ. Natürlich! Das war der Grund. Der leere Akku von Leons Handy. Wahrscheinlich hatte er wirklich in Brest übernachtet und war dann heute Morgen direkt ins Büro gefahren.
Der nächtliche Orkan hatte ziemliche Schäden angerichtet. Stege, die auf den Strand führten, waren weggeschwemmt worden. Boote hatten sich von ihren Ankerbojen gerissen und waren in den Häfen von Douarnenez und Concarneau wild durcheinandergeworfen worden. Ein paar kleinere Fischtrawler waren in Seenot geraten. Doch wie durch ein Wunder hatte es nur Sachschäden gegeben. Menschenleben hatte der Sturm dieses Mal nicht gefordert. Max Peridot flog noch einmal die Küste mit seinem Hubschrauber ab. Er wollte sichergehen, dass er nicht irgendein Schiff in Seenot übersehen hatte. Doch es war alles glimpflich abgegangen. Die See lag ruhig unter ihm, blau und einladend. Nichts erinnerte mehr an die Gewalt, zu der sie sich in der letzen Nacht aufgebäumt hatte. Okay, alles klar â er gab per Funk durch, dass er zur Flugbasis in Brest zurückkehren würde, und flog eine weite Schleife. Und da sah er es aus dem Augenwinkel. Den weiÃen Flecken, der auf dem Meer lag wie ein lang gezogener Klecks Farbe. Max griff zum Fernglas. Sicher war das nur eine Plastikplane, die es aufs Meer hinaus geweht hatte, versuchte er sich zu beruhigen. Und wusste doch schon in dem Moment, als er das Fernglas an die Augen führte, dass er unrecht hatte. Es war ein Boot. Das kieloben im Wasser trieb.
Marie verlor die Geduld. Der Kaffee war getrunken. Sie hatte keinen Nerv mehr, sich auf Caspars schwärmerische Geschichten von einem Leben auf einer Südseeinsel oder wo auch immer zu konzentrieren.
»Ich muss los. Sag deinem Vater bitte, dass ich da war. Es wäre nett, wenn er mich anrufen könnte.«
Caspar wollte sie festhalten. Er hatte ihr noch nicht alles erzählt. Von der Surfschule, die er aufmachen wollte. Von Hawaii oder Madagaskar, über das er gerade eine Menge in Erfahrung gebracht hatte.
»Er kommt sicher bald. Wenn du willst, könnte ich dir inzwischen die Firma zeigen.« Alles, nur gehen sollte sie nicht. Er wollte, dass sie bei ihm blieb. Am besten jede Minute des Tages.
»Ich muss mich um das Restaurant kümmern. Wir können es nicht einfach zu lassen, nur weil der Chef â¦Â«
»⦠im Knast ist? Du wirst zumachen müssen, Marie. Weil Michel ⦠na ja, wenn sie ihn verurteilen, wird es viele Jahre dauern, bis er wieder am Herd stehen kann.«
Marie sah ihn erschrocken an. Daran wollte sie gar nicht denken.
»Ich werde mich um das Café du Port kümmern, bis er wieder zurück ist.«
Sie küsste ihn schnell auf die Wange.
»Danke für den Kaffee, Caspar. Schönen Tag noch.« Was konnte er sagen? Was konnte er sie fragen? Es musste ihm doch etwas einfallen, mit dem sie dazu bewegen konnte, noch eine Weile zu bleiben. Wenn sie weg war, würde es wieder düster werden in seinem Büro ⦠Hoffnungslos. Er musste sie halten.
»Warte. Ich muss dir noch was sagen.« Seine Stimme klang viel zu hektisch. Geradezu hysterisch klang sie. Hallte schrill ins seinen Ohren nach. Doch Marie schien das nicht aufzufallen, als sie sich mit einem fragenden Lächeln zu ihm umdrehte.
»Ja?«
»Ich liebe dich, Marie. Ich will mit dir zusammen sein.«
War sie schockiert?
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