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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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war tröstend. Wie gut sich das plötzlich alles fügte, dachte er, als er die Tür hinter ihr schloss. Sie wusste, dass er sie liebte. Sie stand an seiner Seite. Und nicht mehr lange, und sie würde sich endgültig zu ihm bekennen.
    Als er die leisen Schritte von Mimi, der Köchin vernahm, drückte er die Schultern durch und wandte sich zu ihr. Er wusste, dass seine Stimme männlich klang, als er ihr sagte, dass seine Mutter Ruhe brauchte.
    Â»Wie soll es denn jetzt weitergehen?« Mimis Miene war besorgt. Und unschlüssig. Die Situation war auch wirklich merkwürdig. Sein Vater war nicht mehr da. Alle gingen davon aus, dass er tot war. Doch es gab keinen Leichnam. Also würde es keine Beerdigung geben. Nichts, was zu organisieren wäre. Keine Anzeigen mussten geschaltet werden. Keine Karten versandt. Keine Blumen ausgesucht. Nicht das Trauermahl geplant.
    Â»Er ist nicht tot.« Claires Stimme war wie ein Hauch. Sie stand in der Tür. Durchsichtig vor Blässe. Einen Moment lang war Caspar tief erschrocken. Es war das erste Mal, dass er seine Mutter so verwundbar, so verloren sah. Die Stärke, die sie immer ausgezeichnet hatte, schien verflogen. Hier stand eine Frau, der der Boden unter den Füßen weggezogen worden war. Und doch, sie wollte nicht glauben, dass ihr Mann tot war.
    Â»Solange sie ihn mir nicht bringen, glaube ich nicht, dass er tot ist. Er kann von einem anderen Boot aufgenommen worden sein. Er kann sich an ein Stück Holz geklammert haben und an Land geschwommen sein. Alles ist möglich. Leon würde mich auf so eine Weise nicht verlassen.«
    Â»Das Wasser hat gerade noch zwölf Grad, Maman. Du weißt selbst, dass darin kein Mensch mehr als ein paar Stunden überlebt. Ich kann es ja selbst nicht fassen, aber wir müssen wohl davon ausgehen, dass Papa …«
    Â»Nein. Davon gehen wir nicht aus. Wir gehen davon aus, dass er sich irgendwie retten konnte.«
    Konnte es sein, dass sie recht hatte? Dass es ihm irgendwie gelungen war zu überleben? Dass er heute Abend oder morgen Früh plötzlich vor der Tür stand? Geschwächt, aber lebendig?
    Â»Die Polizei sucht das Meer mit Hubschraubern und Booten ab. Wenn Papa noch leben würde, hätten sie ihn längst gefunden.«
    Â»Du kennst die Strömungen doch. Kein Mensch kann wissen, wo er hingetrieben worden ist.«
    Es war klar, sie wollte sich mit all ihrer verbliebenen Kraft an den Gedanken klammern, dass ihr Mann, der sie sein Leben lang auf seinen starken Armen getragen hatte, nicht unterging wie jeder x-beliebige Schwächling. Er hatte so viele Katastrophen in seinem Leben gemeistert. Die schlimmste jetzt würde er auch überstehen. Caspar legte den Arm behutsam um seine Mutter. Zum ersten Mal war er in ihrer Beziehung der Stärkere. Es war unfassbar, aber, als er sie zum Sofa zurückführte, lehnte sie ihren Kopf gegen seine Schulter. Als wollte sie wirklich von ihn gestützt werden. Als glaubte sie wirklich, dass ihr Sohn jetzt der Mann im Haus sei, auf den sie sich fortan würde verlassen können. Wie paradox das Leben doch war. Gerade hatte sich Caspar von seinem Vater und von seiner Mutter lösen können. Mit einem gewaltigen Aufwand an Stärke und Selbstüberwindung hatte er sich von seinem Vater geholt, was ihm zustand. Um in ein paar Tagen endgültig sein bisheriges Leben zu verlassen. Und da war nun mit einem Mal der Mann, in dessen Schatten er gestanden hatte, so lange er sich erinnern konnte, von der Bildfläche verschwunden. Und die Frau, die seine alles beherrschende Mutter war, erwies sich als schwach und hilfsbedürftig. Alles lag an ihm. Wie es mit ihr weitergehen würde, mit der Firma. Ja, mit seinem eigenen Leben. Niemand außer ihm würde darüber entscheiden. Wenn er gewollt hätte, könnte er einfach bleiben. Und die Nachfolge seines Vaters antreten. Soviel er wusste, war er der Alleinerbe, das hatte ihm seine Mutter ein ums andere Mal versichert. Er konnte in der Firma tun und lassen, was er wollte. Er konnte sie aber auch einfach verkaufen. Was seine Mutter zwar sicher nicht gutheißen würde, was sie letzten Endes aber nicht würde verhindern können. Egal. Es war mit einem Mal egal, was sie wollte. Was sie nicht wollte. Was sie geplant hatte. Alles Makulatur.
    Â»Versuch ein bisschen zu schlafen, Maman.« Gehorsam wie ein Kind legte sie sich zurück aufs Sofa und schloss die Augen. So wie

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