Wilde Wellen
ihrem Kopf. Oh Gott, Jean. Es tut mir so leid, dass ich nicht besser auf dich aufgepasst habe.
»Marie.« Als sie Thomasâ Stimme hinter sich hörte, drehte sie sich um und sank ihm einfach in die Arme. Jetzt konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Sorgen ich mir um dich gemacht habe.« Thomas drückte sie erschüttert an sich. Als sie ihn vor ein paar Stunden angerufen hatte, war ihm einen Moment lang richtig schwindlig geworden. Sie war es tatsächlich. Und es schien ihr gut zu gehen. Er war so unendlich erleichtert gewesen, sie zu hören.
»Ich hab Himmel und Hölle verrückt gemacht, weil du so einfach verschwunden warst. WeiÃt du, wie viele Michel Dumonts es ihn Frankreich gibt?«
Sie lachten und weinten gleichzeitig. Marie versuchte zu erklären, was passiert war, Thomas schilderte ihr seine vergeblichen Versuche, sie zu finden. Sie fielen sich gegenseitig ins Wort, hielten inne, fingen wieder gleichzeitig an. Und waren doch nur froh, dass sie sich wiederhatten.
»Es tut mir so leid, dass ich dir nicht Bescheid geben konnte.«
»Und mir tut es leid, dass ich nicht bei dir war. Meine Güte, Marie, es war das Schrecklichste, was ich je erlebt habe. Ins Krankenhaus zu kommen und zu hören, dass jemand auf dich geschossen hat. Und dann warst du einfach verschwunden. Ich wusste überhaupt nicht, was ich denken sollte. Ich hab die Ãrzte angeschrien, weil sie dich einfach einem fremden Mann mitgegeben haben, ich hab deinem Chef gedroht, dass ich ihn anzeigen würde, weil er sich weigerte, eine Fahndung nach dir rauszugeben. Ich bin wie ein Verrückter durch Paris gelaufen und hab in allen Hotels und in allen Pensionen nach dir gefragt. Es war die Hölle.«
Marie drückte sich an ihn. Ihre Lippen suchten seine. Ja, es war die Hölle gewesen, auch für sie. Aber jetzt hatten sie sich wieder. Alles war wieder gut. Aber war es das wirklich? Im Zeitalter des Internets hatten sie sich von einem Tag auf den anderen einfach so verloren. Marie hatte nicht einmal geahnt, dass es Thomas in ihrem Leben gab. Und Thomas hatte den Albtraum schlechthin erleben müssen. Dass der Mensch, den man liebt, plötzlich wie vom Erdboden verschluckt ist. Sicher, Gerard Manzel, Maries Chef, hatte versucht, ihn zu beruhigen.
»Sie ist bei ihrem Vater. Ãbrigens ein sehr netter Mann. Der kümmert sich um sie. Und sobald sie wieder fit ist, wird sie wieder auftauchen.«
Thomas hatte keinerlei Verständnis für Gerard Manzels Haltung gehabt. Marie hatte nie von diesem Vater erzählt. Er war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass er schon lange tot war. Und jetzt war er plötzlich aus der Versenkung aufgetaucht und hatte Marie entführt? Gerard Manzel hatte Thomas ausgelacht. Von Entführung konnte doch keine Rede sein. Immerhin war er ja Maries Vater. Von dem keiner wusste, was er tat und wo er wohnte.
»Ich hab schon befürchtet, ich würde dich nie mehr wiedersehen.« Marie lachte leise auf. Und wusste gleichzeitig, dass dieser Gedanke so absurd gar nicht war. Was, wenn sie sich nie mehr erinnert hätte? Wenn sie einfach in der Bretagne geblieben wäre? Vielleicht hätte Thomas ja irgendwann zufällig Urlaub in der Bretagne gemacht und sie wären sich begegnet. Sie hätte ihn nicht erkannt. Und er hätte womöglich gedacht, dass sie ihn nicht erkennen wollte.
Als sie an diesem Abend auf der Terrasse von Maries Wohnung standen und auf die Dächer von Paris hinabsahen, dachte Marie, dass es nie mehr so sein würde wie früher. Diese kleine Zufriedenheit, die sich immer in ihr Herz geschlichen hatte, wenn sie in ihrer Wohnung war, sie war nicht mehr da.
»Sag mir, dass alles wieder gut ist.«
Thomas nahm ihr das Glas aus den Händen und stellte es auf den zierlichen Eisentisch. Er zog sie an sich. Seine Lippen waren warm und lebendig, als sie sich auf ihre drückten. Wie gut sich das anfühlte. Nicht mehr reden. Nicht mehr denken. Er trug sie in das winzige Schlafzimmer, das von dem breiten Bett fast ganz ausgefühlt wurde, und zog sie aus. Sie erinnerte sich, dass sie es geliebt hatte, wenn er mit seinem Mund ihren Körper erkundet hatte. Wie hatte sie das nur vergessen können? Aber nicht denken. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Nur spüren. Seine wachsende Erregung, die Hitze, die in ihr aufstieg. War es so wie immer? Sein
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