Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
ihr müßt auf jeden Fall mehr über das Gefängnis in Erfahrung bringen.« »Ich habe gehofft, daß dein Bruder vielleicht jemanden kennen würde, der dort arbeitet.. .«
Bevor Saleh antworten konnte, unterbrach Murad ihn: »Wir brauchen nicht mehr zu suchen. Ich kenne genau die richtige Person.«
Unter den erstaunten Blicken der beiden anderen grinste Murad breit. »Seine Name ist Hafiz, und sein Vater unterhält ein Seidengeschaft eine Straße weiter. Wir haben uns m einem Teehaus getroffen und uns angefreundet. Hafiz arbeitet tagsüber bei seinem Vater, abends im Kerker, obwohl es ihm dort nicht besonders gefällt. Aber er möchte genug Geld verdienen, um ein eigenes Teehaus zu eröffnen.«
Saleh strich sich über den Bart. »Es muß Gottes Gnade gewesen sein, die euch zusammengeführt hat.«
Juliet lehnte sich aufgeregt vor. »Wenn Hafiz uns hilft, könnte er sein Teehaus schon früher bekommen. Kann man ihm trauen, daß er uns nicht an den Emir verrät?«
Murad überlegte eine Weile. Er war in den letzten Wochen gereift, und obwohl er immer noch sein einnehmendes, jungenhaftes Grinsen hatte, war er nun nachdenklicher geworden und bemühte sich, erst zu denken, bevor er den Mund aufmachte. Juliet nahm an, er wollte Ross ähneln.
Schließlich antwortete der junge Mann. »Ja, ich glaube, daß er ein ehrlicher Mensch ist, und ich weiß, daß er gerne mehr Geld verdienen möchte.«
Saleh nickte billigend. »Eine fruchtbare Kombination.«
»Kann ich jetzt mit Hafiz reden?« fragte Juliet atemlos.
»Er müßte im Laden seines Vaters sein.« Murad warf Juliet einen Blick zu. »Möchtest du vielleicht bei Hafiz' Vater Seide kaufen, Lady Kilburn? Ich denke, das wäre ein guter Anfang.«
Also gingen sie gemeinsam Seide kaufen.
Es war schon fast Sperrstunde, als Juliet am Abend zurückkehrte. Ross hatte sich bereits Sorgen über ihre lange Abwesenheit gemacht. Doch dann, als sie in das Zimmer gerauscht kam und den Schleier abzog, glühte ihr Gesicht. »Kennst du den arabischen Ausdruck baraka? Es bedeutet die Gnade oder die Macht Gottes.« »Ich kann es mir in etwa denken.« Ross gab ihr einen Willkommenskuß und drückte sie in seiner Erleichterung an sich. Juliet ließ ein weiches Paket, das mit billiger Baumwolle umwickelt war, auf den Diwan fallen. »Nun, die baraka ist mit uns.«
»Heißt das, du hast etwas Nützliches herausgefunden?« Er warf einen Blick auf das Päckchen. »Oder hast du beim Einkaufen im Basar nur ein paar gute Geschäfte gemacht?«
Sie lächelte, ohne sich durch seine Neckerei beirren zu lassen.
»Ich habe tatsächlich eine ganze Menge teurer Seide gekauft. Nichts aus dieser Gegend, sondern eine, die aus China importiert wurde. Eine absolute Geldverschwendung, aber der Kauf war ein erster Schritt zur Informationsbeschaffung. Es hat sich herausgestellt, daß ein Freund von Murad im Gefängnis arbeitet, und von dem, was er mir erzählt hat, läuft das Ganze dort ziemlich lässig ab. Wir könnten durch pure Frechheit hineinkommen. Außerdem war ich noch bei den Kasems und bei Ephraim ben Abraham.«
Ross setzte sie auf den Diwan, zog ihr die Stiefel aus und begann, ihr die Füße zu massieren. Sie waren schmal und wohlgeformt wie ihr restlicher Körper auch. »Da hattest du aber ein volles Programm heute.«
»Oh, das fühlt sich herrlich an.« Während er ihre Füße knetete, seufzte sie glücklich auf und wackelte vor Vergnügen mit den Zehen. »Wenn du erst gehört hast, was ich erfahren habe, dann wirst du zugeben, daß wir eine vernünftige Chance haben, Ian aus dem Gefängnis zu bekommen.« »Vielleicht ist es nicht Ian«, gab er weich zu bedenken. Einen Augenblick verdüsterte sich ihre Miene. Dann schüttelte sie den Kopf, als wollte sie sich weigern, darüber nachzudenken. »In jeder Ehe muß einer den Part des Pessimisten übernehmen, und bei uns bist du es.«
Leicht verärgert hörte Ross mit der Fußmassage auf. »Ich hielt das immer für gesunden Menschenverstand.«
Juliet beugte sich vor und gab ihm einen süßen, heißen Kuß. »Den Part hast du in unserer Ehe auch.« Schließlich lehnte sie sich zurück und berichtete, was sie an diesem Tag alles erfahren hatte. Als sie fertig war, mußte Ross tatsächlich zugeben, daß die Möglichkeit bestand, ins Gefängnis hinein- und - viel wichtiger -auch wieder herauszukommen . .. wenn nicht eins von tausend möglichen Dingen schiefging. Saftige Bestechungsgelder mußten gezahlt werden, was allerdings kein Problem war. Die
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