Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
russischer Offizier, und einer von beiden wurde exekutiert, während der andere verschont wurde.« Er holte tief Atem. »Das Üble daran ist, daß sie nicht wissen, wen welches Los ereilt hat.«
    Juliet hielt mitten in ihrer Bewegung inne, und alles Blut wich aus ihrem Gesicht. »Das heißt, Ian ist vielleicht am Leben, aber wir können nicht sicher sein.«
    Juliet hatte ihren Bruder seit Wochen betrauert; nun zu erfahren, daß er möglicherweise noch lebte, war ein genauso großer Schock wie die Nachricht von seinem Tod. Tatsächlich war er durch die Ungewißheit sogar noch schlimmer. »Ich habe immer gedacht, daß es nicht zu lan paßte, sich vor seinem Tod zu bekreuzigen. Es würde jemandem ähnlicher sehen, der Mitglied der orthodoxen Kirche ist.« ross' Blick war mitfühlend, aber er wollte keine falschen Hoffnungen schüren. »Möglich, aber in letzter Zeit hatte der Emir zu Rußland bessere Beziehungen als zu England. Es ist deshalb wahrscheinlicher, daß er einen Briten hingerichtet hat.«
    »Warum sollte der Emir außerdem behaupten, er habe Ian exekutieren lassen, wenn das nicht der Fall wäre?«
    Ross schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung. Es könnte eine Taktik sein, aber auch reine Kaltblütigkeit. Vielleicht dachte Nasrullah, er könnte andere potentielle Spione abschrecken, wenn er behauptet, er habe einen töten lassen, entschied dann aber, daß ein Brite ihm vielleicht eines Tages noch nützen könnte. Wer weiß, vielleicht finden wir es nie heraus.«
    Juliet schloß eine Sekunde die Augen. »Was sollen wir jetzt tun?«
    Ross verzog die Lippen und begann, auf und ab zu laufen. Zehn  Schritte hin, zehn zurück. Er wirkte wie ein Löwe im Käfig. »Ich bezweifle, daß wir überhaupt etwas tun können.«
    »Wir müssen aber versuchen, ihn zu retten«, beharrte Juliet. Sie konnte doch nicht ihren Bruder im Stich lassen, wenn er am Leben war. Genausowenig wie sie ihren Mann verlassen würde. Ross' Blick war voller Sarkasmus. »Mit anderen Worten, wir verschwinden aus diesem Haus hier, brechen in ein schwerbewachtes Gefängnis ein, schnappen uns einen Mann, der wahrscheinlich in einem furchtbaren Zustand ist, schmuggeln ihn aus der Stadt und bringen ihn in der schlimmsten Jahreszeit sicher durch die Karakum. Und vielleicht ist es nicht einmal Ian.«
    »Wir sind ursprünglich gekommen, um ihn zu retten«, erwiderte sie stur. »Mit dem Wissen, daß er möglicherweise lebt, können wir doch nicht einfach davonspazieren.«
    Ross seufzte. »Und damit sind wir einmal mehr, wahrscheinlich schon zum hundertsten Mal bei der Frage, was es für einen Sinn hat, wenn ein Mensch selbst für einen guten Zweck Selbstmord begeht. Du weißt, wie ich darüber denke.«
    Juliets Temperament flammte auf: »Das heißt doch übersetzt, daß du zu feige bist, zu versuchen ihn zu retten.«
    »Natürlich bin ich zu feige«, stimmte er prompt zu. »Seit ich Konstantinopel verlassen habe, befinde ich mich in einem permanenten Zustand der Panik, und die letzten Wochen haben mich wie eine Schüssel Aspik zittern lassen. Aber es geht hier nicht um Angst; die Frage ist, was möglich ist und was nicht.« Ross' Worte entwaffneten Juliet so gründlich, daß sie gelacht hätte, wenn sie nicht so aufgewühlt gewesen wäre. Sie hatte ihren Mann oft genug in Aktion gesehen, um zu wissen, daß der Vorwurf der Feigheit schlichtweg absurd war.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie zerknirscht. »Das hätte ich nicht sagen sollen. Aber ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, daß Ian nur knapp eine Meile von uns entfernt schrecklich leidet. Wir müssen doch etwas tun.« Sie fuhr sich zerstreut mit den Fingern durchs Haar. »Glaubst du, Abdul Samut Khan weiß, wer im Schwarzen Brunnen sitzt? Wenn ja, kannst du ihm vielleicht die Wahrheit mit Geschenken abpressen.«
    »Wenn er's weiß, dann wird er es uns wahrscheinlich nicht sagen, oder er hätte bereits angedeutet, daß er wertvolle Informationen  besitzt.« Ross runzelte die Stirn. »Irgendwie ist das Wissen, um welchen Gefangenen es sich handelt, gar nicht so ausschlaggebend. Vermutlich wird es unmöglich sein, das herauszufinden. Aber ich kann in keinem Fall den Gedanken ertragen, einen Europäer in den launischen Händen des Emirs zu lassen.« Er blieb endlich stehen und wandte sich zu Juliet um. »Ich möchte dir einen Handel anbieten.« Ihre Augen weiteten sich wachsam. »Was für einen Handel?« »Wir müssen bestimmen, ob wir eine Chance haben, den Gefangenen zu befreien. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher