Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
üblich.«
»Falsches Schwein!« Shahid spuckte auf den Boden. »Wenn Abdul Samut Khan erst einmal weg ist, wirst du meine Beute sein.« Er winkte den jungen Soldaten wieder heran. »Glaub ja nicht, du könntest in dieser Nacht fliehen. Die Tür wird bewacht.« Unbeeindruckt betrat Ross das Zimmer, schloß und verriegelte die Tür, wobei er flüchtig darüber nachdachte, daß er dramatische Drohungen und Erpressungen langsam satt hatte.
Eine einzelne Lampe brannte im Empfangszimmer, und die Tür zum Balkon stand offen, um den Trubel der Festivitäten draußen eindringen zu lassen. Er machte sich auf die Suche nach Juliet, überrascht, sie nicht zu sehen, denn er hatte angenommen, sie wäre schon vorausgegangen. Dann begriff er, daß sie schon da sein mußte, weil sonst die Lampe nicht angezündet worden wäre. Begierig darauf, sie in seinen Armen zu spüren, eilte er schnell ins Schlafzimmer.
Im flackernden Licht einer anderen Lampe entdeckte er sie als dunkle Gestalt, die sich auf dem Diwan zusammengerollt hatte. »Was!? Kein pausbäckiger Flirt?« Spott schwang in ihrer Stimme. Ross grinste und begann, Rock und Stiefel auszuziehen. »Ich war natürlich schwer versucht, aber das Wissen, daß du mir meine Leber herausschneiden würdest, wirkte leicht dämpfend.«
»Weiser Mann.« Juliets Blick folgte ihm, aber sie erhob sich nicht.
Ross hatte gedacht, ihre gezeigte Eifersucht wäre nur wieder eine ihre spielerischen Neckereien, aber ihre Reserviertheit machte ihn stutzig. War sie ernsthaft getroffen? Da immer noch das meiste ihres Gesichts vom Schleier bedeckt war, konnte er ihre Laune nur schwer deuten. »Du glaubst doch nicht wirklich, daß ich an der Tänzerin interessiert war?« fragte er sanft.
Sie schnaubte ungläubig. »Natürlich warst du interessiert.
Welcher Mann wäre das nicht?«
»Nicht ernsthaft interessiert«, verbesserte er. »Selbst in eine schwarze Decke eingehüllt und mit Leichenbittermiene bist du für mich aufregender als sie.«
»Ich bin froh, daß du so ein gesundes Urteilsvermögen hast.« Mit einer theatralischen Bewegung sprang Juliet auf und riß ihr Gewand und den Schleier von ihrem Körper. Zum Vorschein kam ein Tanzkostüm aus schwarzer Seide, die so zart war, daß jede Einzelheit ihres Körpers sichtbar war. Mit schwarzem Surma betont, funkelten ihre Augen wie Silber, als sie ihn provozierend anlächelte.
»Ich habe das aus der Seide, die ich von Hafiz' Vater gekauft habe, improvisiert. Und jetzt beweise ich dir, daß es nichts gibt, was unser plumpes Mäuschen besser kann als ich.«
Ross blieb die Luft im Hals stecken, und einen Augenblick konnte er wirklich nicht atmen. Eine Kordel um Juliets Hüften hielt einige Schichten hauchdünnen Stoffes, die fast über ihren Schultern zu schweben schienen und ihren Oberkörper einhüllten, aber nichts verbargen. Obwohl sie von
Kopf bis Fuß bedeckt war und selbst ihr Haar durch einen Schleier schimmerte, verlieh die Durchsichtigkeit des Stoffes den Eindruck totaler, verführerischer Nacktheit.
Sie wirbelte anmutig bis in die Mitte des Raumes, und die Schleier flogen wie Rauchschwaden um sie herum. Unwiderstehlich wie Delilah sagte sie rauh: »Soll ich für dich tanzen?«
»Ja, tanze für mich«, flüsterte Ross, als er sich auf dem Diwan niederließ, ohne den Blick von ihr wenden zu können. »Bitte!« Einen Moment lang schloß Juliet die Augen und stimmte sich auf die kraftvollen Klänge ein, die durch die Nacht zu ihnen heraufdrangen. Dann begann sie, sich sanft zu wiegen. Zuerst bewegten sich ihre Arme, dann ihr geschmeidiger Oberkörper, schließlich ihre Hüften und Beine, bis ihr gesamter Körper zum Ausdruck der Musik wurde.
Juliet war eine geborene Tänzerin. Ross wußte, daß sie als Kind die Tänze aus den Highlands gelernt und später die standardisierten Figuren europäischer Ballsäle mühelos gemeistert hatte. Doch der Himmel hatte eine Ahnung, was für exotische Darbietungen sie über die letzten Jahre gesehen oder gelernt hatte. Nun zog sie alles, was sie jemals erfahren hatte, heran, um ihm einen sinnlichen Tanz zu erschaffen, der ganz und gar ihr eigen war.
Wie in Trance beobachtete er, wie sie Geist und Bewegung in Einklang mit der Musik brachte, bis Tanz und Tänzerin schließlich nicht mehr zu trennen waren. Juliet war Feuer, Anmut und Freiheit, und es war all das, was er stets an seiner Frau geliebt und gefürchtet hatte.
Doch am meisten war sie verkörperte Begierde, und ohne ihn einmal zu berühren,
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