Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
Vom Netzwerk:
Geschichtenerzähler. Dann verdiene ich mir meine Mahlzeiten, indem ich Märchen um den legendären Kilburn spinne.«
    Ross mußte lächeln. »Auf jeden Fall ist das sicherer, als Turkmenen herauszufordern.« Er setzte sich und nahm dankend einen Kelch mit Sherbet. »Ich werde ziemlich bald nach Teheran abreisen, vielleicht schon morgen. Ich würde mich freuen, wenn ich deine Führerqualitäten ausnutzen könnte, aber vielleicht ist es besser, wenn du bleibst, bis dein Arm geheilt ist.«
    »Ich werde mitkommen«, beschloß Murad spontan. »Mein Arm ist nicht so schlimm, und ich freue mich darauf, auch nach Hause zu kommen. Aber wird Lady Kilburn so schnell bereit sein? Sie wird doch bestimmt einiges packen müssen. Auf jeden Fall würde meine Mutter unendlich viel Zeit dazu brauchen, wenn sie in ein anderes Land reisen würde.«
    Ross nahm einen Schluck Sherbet und ließ seine Blicke über den Garten schweifen. »Ich bezweifle, daß sie mit mir kommt. Wir müssen . . . darüber sprechen, aber ich glaube, sie wird sich entscheiden, in Serevan zu bleiben, denn es war so viele Jahre ihr Zuhause.«
    Nach einem verwirrten Schweigen sagte Murad schließlich: »Aber ihr schient mir so ... so vereint. Ich dachte, du würdest sie bei dir haben wollen.«
    »Das will ich ja auch, aber ich fürchte, der Wunsch ist nicht gegenseitig.«
    »Aber sie ist deine Frau!« rief Murad aufgebracht. »Der Platz einer Frau ist bei ihrem Mann. Du mußt ihr befehlen, mit dir zu kommen.«
    »Befehle nützen nicht viel, denn Lady Kilburn hat ihren eigenen Kopf«, bemerkte Ross trocken. »Das hast du sicher schon festgestellt. Und unsere Sitten erlauben den Frauen eine ganze Menge Selbstentscheidung.«
    Nach einer weiteren, noch länger dauernden Pause sagte der junge Perser schwach: »Ich verstehe nicht.«
    »Ich auch nicht, Murad, ich auch nicht.« Vielleicht, dachte Ross müde, würde es einen Unterschied machen, wenn er Juliet verstünde. Aber wahrscheinlich nicht.
    Die Stunde der Aussprache kam am Abend, nach dem Essen.
    Juliet hatte es geschafft, den ganzen Tag beschäftigt zu sein und sich nicht einmal blicken zu lassen. Mehrmals hatte sie nach Ian gesehen, aber er schlief immer noch, und sie wollte ihn nicht wecken.
    Sie und Ross hatten mit Salehs Familie gegessen, was bedeutete, daß sie keine Möglichkeit hatten, ein privates Gespräch zu führen, aber nur allzu bald kam die Zeit, ins Bett zu gehen. Juliet konnte schlecht ihren Mann aus ihrem Schlafzimmer verbannen, wenn sie sich doch nichts mehr wünschte, als ihn bei sich zu haben. Nein -noch mehr wünschte sie sich die Unkompliziertheit, die sie in Buchara erfahren hatten, als es nur die Gegenwart gab, keine Vergangenheit und schon gar keine Zukunft.
    Ohne Ross anzusehen, zog Juliet sich einen bestickten, grünseidenen Kaftan an. Dann hockte sie sich auf den Diwan und begann sich die Haare zu bürsten, während sie versuchte, sich ein neutrales, sicheres Thema auszudenken. Vielleicht konnte sie ja wie Scheherazade die Katastrophe unendlich hinausschieben, indem sie sich immer wieder neue Geschichten ausdachte, um das gefährliche Terrain zu vermeiden.
    Unglücklicherweise war Ross mit zuviel westlicher Direktheit gesegnet. Anstatt sich den simplen, braunen Chapan auszuziehen, setzte er sich neben sie und begann schlicht: »Juliet, komm mit mir nach England zurück. Wir sind jetzt zwölf Jahre älter und klüger, und du scheinst meine Gesellschaft nicht besonders zu verabscheuen. Bestimmt können wir alles lösen, was du als Problem in unserer Ehe ansiehst.«
    Sie versteifte sich, und ihre Hand, die die Bürste hielt, fiel in ihren Schoß. Sie war im Geiste ständig durchgegangen, was sie sagen konnte, um Ross davon zu überzeugen, daß ein Zusammenbleiben unmöglich war. Und nun hoffte sie, ihre oberflächlichen Argumente würden Ross genügend überzeugen, daß er nicht nach dem tieferen, wahren Grund bohren würde, den sie niemals zugeben konnte.
    »Ich fürchte, die geographische Vereinbarkeit ist tatsächlich ein unlösbares Problem«, erwiderte sie mit aufgesetztem Humor. »Wenn du nicht Erbe deines Vaters wärest, könntest du hier in Persien bleiben. Aber ich kenne deinen Sinn für Verpflichtungen nur zu gut, um zu erwarten, daß du deiner Verantwortung in England den Rücken kehrst.«
    Ross lehnte sich in die Polster zurück und betrachtete sie mit Augen, die kühl und gefährlich blitzten. Dies war kein Kampf, den sie leicht gewinnen konnte. »Da hast du allerdings recht.

Weitere Kostenlose Bücher