Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
das Ende fürchtete, das sich unaufhaltsam näherte. Es lag soviel lebendige Unmittelbarkeit in diesem Kuß, soviel Rechtmäßigkeit in ihrem Verlangen, daß es unmöglich war, sich vorzustellen, es könnte das letzte Mal sein.
Vielleicht würde er nie wieder so wie jetzt den sanften Druck ihrer Haut auf seiner spüren. Oder so wie jetzt die samtige Härte ihrer festen Brustspitzen unter seiner Zunge. Oder das rauhe Atmen an seinem Ohr vernehmen, wenn er ihre intimste Stelle abtastete, neckte, liebkoste so wie jetzt, bis sie vor Begierde pulsierte. Er würde es nicht ertragen können, nie wieder ihr scharfes, freudiges Einatmen hören zu können, wenn er in ihre glühende Hitze eindrang, so wie jetzt.
Er versuchte, sich und seine Ängste in ihr zu verlieren, wollte die Leidenschaft so entfachen, daß sie sie ewig an ihn binden würde. Er schmeckte die drängende Furcht in ihrem Kuß und sah die Verletzlichkeit in ihrem Gesicht. Vielleicht würde er nie wieder eine solche Vereinigung spüren, die erschreckende Freude, die Kontrolle ganz und gar zu verlieren, so wie jetzt, o Gott, so wie jetzt. . .
Nach der Leidenschaft hatte sie ein zerbrechlicher Frieden eingehüllt, und sie kuschelten sich befriedigt aneinander, als sie gemeinsam wieder einschliefen. Doch als sie zum zweitenmal aufwachten, hatte sich ein schmaler, unangenehmer Abgrund zwischen ihnen aufgetan. Um das Schweigen zu füllen, murmelte Juliet: »Wenn der hakim, der Doktor, wüßte, daß ich einen verwundeten Mann dazu gebracht habe, sich derart zu verausgaben, dann würde er mir das nie verzeihen.«
»So schlimm kann es mit mir nicht stehen, sonst hätte ich gar keine Chance zur Verausgabung gehabt.« Behutsam tastete Ross den Verband an seinem Kopf ab und zuckte zusammen.
»Das wird wohl noch eine Weile weh tun, und wahrscheinlich habe ich die größte Ration meiner Tagesenergie schon aufgebraucht, aber ich werde dem hakim gerne erzählen, daß deine Pflege wundersam effektiv war.«
Seine Miene wurde nüchterner, und er streckte den Arm aus, um den Ring an ihrer Halskette zu berühren. Juliet, die sicher war, daß er nun gleich etwas die Zukunft betreffend sagen wollte, tat, als ob sie die Geste nicht bemerkte. In dem ängstlichen Bedürfnis, das Unvermeidliche noch eine Weile hinauszuschieben, glitt sie mit erzwungener Fröhlichkeit aus dem Bett.
»Du mußt doch Hunger haben. Soll ich etwas zum Frühstück herbringen lassen? Die Melonen schmecken im Moment am besten, besonders nach einer Woche trockener Wüstennahrung. Wir haben aber auch so gut wie alles, was du dir wünschen kannst. Bis auf geräucherten Hering natürlich. Oder Hafermehl. Aber wer will schon Hafermehl?«
»Juliet«, mahnte er weich. »Du redest dummes Zeug.«
»Ich weiß.« Sie strich sich fahrig durchs Haar und zwang sich, etwas ruhiger zu werden. »Da wir so lange fort waren, ist heute unglaublich viel zu tun, besonders, da Saleh erst in zehn Tagen oder so hier eintreffen wird. Ich muß mit dem Aufseher und den Dienern reden und hundert andere Sachen erledigen.« All das stimmte, war aber kaum der Grund für ihre Nervosität.
Er schenkte ihr ein Lächeln, das besagte, daß er genau wußte, was in ihr vorging. »Dann machst du dich jetzt besser direkt an die Arbeit. Im Augenblick beabsichtige ich, aus meinem angeschlagenen Zustand Vorteile zu ziehen und den Tag so faul wie möglich zu vertrödeln. Ein paar Stunden mehr Schlaf versorgen mich bestimmt mit genug Energie, daß ich in den Hammam gehen kann, danach würde ich vielleicht gern noch ein paar weitere Stündchen schlafen.«
»Hört sich nach einem wunderbaren Tagesprogramm an.« Sie beugte sich vor und küßte ihn schnell, dann ergriff sie die Flucht. Doch sie wußte, daß die Stunde der Entscheidung nur hinausgeschoben war.
Ross verbrachte den Tag fast so faul, wie er angedroht hatte. Außer das Badehaus zu besuchen, mühte er sich gerade zu genug Aktivität ab, um seine beiden anderen Reisegefährten aufzusuchen. Ian schlief immer noch, während sein ausgezehrter Körper versuchte, all die Entbehrungen des letzten Jahres zu kompensieren.
Murad dagegen war in bester aufgeweckter Laune. Ross fand ihn im Schatten eines Baumes im Garten sitzend, wo er an Melonen-Sherbet nippte und versuchte, mit einer kichernden, jungen Dienerin zu flirten. Als er seinen Arbeitgeber entdeckte, grinste er breit. »Und so endet unser großes Abenteuer. Vielleicht gebe ich die Arbeit als Führer auf und werde statt dessen
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