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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Menschen verantwortlich zu sein.«
    Schockiert starrte Juliet ihn an. »Lady Hester war nicht so! Sie war eine Frau voll Mitgefühl, die Flüchtlingen vor Ungerechtigkeiten Schutz bot.«
    Ross' Mund verzog sich. »Ich gebe zu, daß sie manchmal Mitgefühl für Verfolgte zeigte, aber sie dachte niemals an die, die ihr am nächsten standen und am treuesten ergeben waren. Je größer die Loyalität ihrer  Untergebenen, je grausamer war der Lohn für sie. Sie zog die naive Bewunderung der Dorfbewohner dem Respekt und der Freundschaft von Ihresgleichen vor. Sie war nicht in der Lage, mit einem Einkommen zu leben, das ein Vielfaches von deinem war, also borgte sie sich gewaltige Summen, die sie niemals zurückzahlte, und dann beschwerte sie sich bitterlich, daß niemand sie unterstützte, den Stil zu leben, von dem sie dachte, sie würde ihn verdienen. Am Ende starb sie allein, da sie sich von allen entfremdet hatte, die je etwas für sie empfunden hatten. Nur noch bedrängt von ihren Gläubigern und beraubt von ihren Dienern.«
    Juliet wünschte, sie könnte glauben, daß Ross log, aber seine  Enthüllungen hatten den schrecklichen Unterton der Wahrheit. Sie drehte sich von ihm weg, wollte nichts mehr hören, aber sie konnte seine schneidende Stimme nicht ausschließen.
    »Ist es das, was du für dich haben willst, Juliet? Allein und ungeliebt zu sterben, als eine Fremde in einem fremden Land, umgeben von den bröckelnden Reliquien der Macht? Wenn ja, dann wünsche ich dir viel Spaß dabei.« »Wenn Lady Hester so war, wie du behauptest, dann bin ich ihr nicht sehr ähnlich, und ich werde auch nicht so enden wie sie.« Juliet machte eine verwirrte Geste. »Warum streiten wir uns über eine Frau, die ich noch nicht einmal gekannt habe?«
    Ross' Brustkorb dehnte sich in einem tiefen Atemzug. Schließlich brachte er mit ruhigerer Stimme hervor: »Du hast recht, ich bin ziemlich abgedriftet. Kehren wir also zu den grundsätzlichen Dingen zurück, zum Beispiel dazu, daß ich dich liebe, und in Buchara hast du gesagt, du liebst mich auch. War das die Wahrheit, oder warst du im Augenblick der Leidenschaft nur besonders überschwenglich?«
    Juliet hatte das schwindelnde Gefühl, daß ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Sie hatte sich so gewünscht, daß er sie liebte - nun, da sie wußte, daß er es tat, war alles nur unendlich komplizierter. »Ich habe die Wahrheit gesagt«, flüsterte sie. »Ich liebe dich. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben. Nicht einen Augenblick.«
    Er schloß die Augen, und ein Zucken durchlief seine Gesichtszüge. Dann öffnete er die Lider wieder, und in seiner Miene zeichnete sich grimmige Entschlossenheit ab. Zu spät erkannte sie, daß sie ihm eine gefährliche Waffe in die Hände gegeben hatte. Nun würde er noch unerbittlicher kämpfen, und sie wußte nicht, ob sie ihm lange Widerstand leisten konnte. Sein erster Angriff war simpel und unmöglich zu beantworten. »Wenn du mich liebtest, warum hast du mich dann verlassen?« »Das habe ich dir schon gesagt!« Wieder nahm sie ihre Wanderung auf. »Mehrmals schon und auf verschiedene Art. Liebe ist von unschätzbarem Wert, aber sie ist nicht das einzige, was zählt. Wenn du meinst, Liebe sei das Wichtigste  auf der Welt, warum bleibst du dann nicht bei mir in Serevan?« »Tatsächlich glaube ich, daß Liebe das Wichtigste auf der Welt ist, obwohl sie in verschiedenen Formen auftritt und es nicht nur die klassische, romantische gibt.« Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Deine Einladung, hierzubleiben, macht mich mißtrauisch. Dieses Angebot gibt dir die Chance, vernünftig aufzutreten und dich kompromißbereit zu zeigen, aber gleichzeitig ist das ein sicherer Stand, weil du genau weißt, daß ich es nicht annehmen kann. Ich kann mir nicht helfen, aber ich denke, du hast noch ganz andere, tiefere Gründe, warum du mich damals verlassen hast.«
    Juliet betrachtete ihren Mann voller Entsetzen. Sie hätte wissen müssen, daß sie ihn nicht zum Narren halten konnte. Nicht Ross, der sie besser verstand, als jeder andere Mensch es je getan hatte. Verunsichert antwortete sie: »Du suchst nach Geheimnissen, wo keine sind. Ich habe dir die Wahrheit gesagt.«
    »Ah, aber auch die ganze? Irgendwie kann ich das nicht glauben.« Seine Stimme wurde rauher. »Gott weiß, daß ich versucht habe, fair zu dir zu sein. Ich habe dich niemals physisch oder finanziell bedroht. Findest du nicht, daß du mir dafür wenigstens die Wahrheit

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