Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
durchgehst, als daß du jemals etwas tun würdest, was dir ein anderer befiehlt.«
Juliet schenkte ihm ein unerwartetes Lächeln. »Touche. Ich gebe zu, daß es nicht gerade meine Stärke ist, Befehle zu befolgen, aber ich bin kein Narr. Wenn unser Leben auf dem Spiel steht, werde ich ein Muster an Gehorsam abgeben.«
Warum mußte sie ihn auch immer wieder mit solchen Anflügen unwiderstehlichen Charmes überrumpeln? Alles wäre viel leichter zu ertragen, wenn Juliet ein Miststück • wäre. Allerdings hätte Ross sie niemals geheiratet, wenn dem so gewesen wäre - statt dessen war sie schlichtweg unmöglich.
»Es interessiert mich nicht, ob du Befehle wie ein abgerichteter Schießhund befolgen kannst. Ich nehme dich unter gar keinen Umständen als Diener nach Buchara mit.« »Du bist ziemlich unvernünftig«, gab sie geduldig zurück. »Die Männer, die du in Teheran angeheuert hast, mögen ja Heilige und Helden sein, aber du kennst sie erst ein paar Wochen lang, und du hast keine Möglichkeit, sich ihrer Loyalität sicher zu sein. Ganz bestimmt haben sie sich heute nicht besonders hervorgetan, indem sie dich mit den Turkmenen alleine ließen. Du kannst dir bei mir wenigstens sicher sein, daß ich dich im Falle einer Gefahr nicht im Stich lasse oder dich betrüge.«
Mit absichtlicher Grausamkeit betonte er: »Dir vertrauen, mich nicht zu betrügen? In Anbetracht der Berichte und Gerüchte der vergangenen Jahre müßte ich ja verrückt sein, das zu tun.«
Aus Juliets Gesicht wich alle Farbe, wodurch die blassen Sommersprossen auf ihrer Nase deutlicher hervortraten.
»Offenbar war es ein Fehler von dir, mir deine Ehre anzuvertrauen«, erwiderte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Dein Leben kannst du mir aber anvertrauen, und das weißt du.«
Trotz seiner harschen Worte glaubte Ross, was Juliet sagte. Vielleicht hatte sie die Versprechen der Ehe verraten, aber sie würde niemals feige oder hinterhältig werden, am wenigsten, wenn es um das Leben ihres Bruders ging. Und um ihrer Ehre willen, wenn schon nicht aus Zuneigung zu ihm, würde sie sicher nichts unternehmen, was ihren Mann gefährden könnte.
Trotzdem war es undenkbar, ihren Vorschlag anzunehmen. Ross hatte sich nie viel Gedanken über ein Leben nach dem Tod gemacht, aber er wußte, daß es der Hölle schon recht nah kommen würde, wenn er einige Monate in nächster Nähe mit seiner Frau verbringen würde.
»Ich kann dich nicht davon abhalten zu gehen«, sagte er nun müde. »Aber du kannst mich auch nicht zwingen, dich als Diener zu akzeptieren.«
»Dann gehe ich an deiner Stelle«, schlug sie vor, ohne sich durch seinen Tonfall verunsichern zu lassen. »Und ich finde, genauso sollte es sein. Ian ist mein Bruder, nicht deiner, und du hast durch die Camerons schon genug, durchmachen müssen.«
Als ihr herausfordernder Blick seinen traf, veränderte sich die Atmosphäre, und das Gewicht verschob sich von der Mission nach Buchara zu der Beziehung Ross und Juliet. Der Zorn und die Spannung, die zwischen den beiden pulsierte, drang aus einer offenen, schwelenden Wunde: ihre gescheiterte Ehe. Und nun war es Zeit, das Thema direkt anzusprechen.
»Wenn wir beide entschlossen sind, nach Buchara zugehen, haben wir vermutlich eine größere Chance zu überleben, wenn wir zusammenarbeiten«, sagte Ross mit rauher Stimme. »Aber das können wir nicht, wenn wir nicht endlich aufhören, einander zu provozieren. Seit wir uns getroffen haben, kämpfen wir gegeneinander und versuchen, bei dem anderen eine Schwäche zu entdecken.«
»Du hast recht.« Juliet seufzte. »Ich bin nicht besonders stolz auf mein Benehmen, und deine Leistung war auch nicht die beste. Wir sollten einen Waffenstillstand schließen.«
Doch bevor das geschah, mußte Ross erst eine Antwort auf die Frage bekommen, die ihn seit zwölf Jahren quälte. »Warum hast du mich verlassen, Juliet? Hast du dich in einen anderen verliebt?«
Sie senkte den Blick. »Nein«, antwortete sie mit ebenso ruhiger Stimme. »Es hat keinen anderen gegeben.«
Er wartete darauf, daß sie mehr sagte. Als das nicht geschah, bemerkte er nachdenklich: »Da wir ja praktisch unablässig zusammen waren, nehme ich an, du hattest auch gar keine Zeit dazu, dich in jemand anderen zu verlieben. Also, wenn du nicht wegen eines Liebhabers weggerannt bist, lag es dann daran, daß du dich nicht dein ganzes Leben nur auf einen Mann konzentrieren konntest und daß du zu aufrichtig warst, zu bleiben und eventuell Ehebruch zu
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