Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
seine hohe Geburt und sein Vermögen wäre es Ross nie schwergefallen, eine Frau, die ein langweiliges Gesellschaftsmäuschen darstellte, zu finden und zu halten. Aber Ross wollte mehr als das - er hatte sich immer eine Frau gewünscht, die sein Gegenstück war, eine Gefährtin in jeder Situation. Seine Eltern hatten eine solche Partnerschaft, und er hatte das für normal gehalten, bis er begonnen hatte, mehr von der Welt zu sehen. Da hatte er erkannt, wie viele verschiedene Formen der Ehe es gab. Und die meisten davon gefielen ihm gar nicht.
Es hatte nur zwei Frauen gegeben, mit denen er sich eine Ehe vorstellen konnte. Die eine davon war seine Cousine Sara. Als sie Kinder gewesen waren, hatte er sie immer als seine zweite Hälfte betrachtet, sie hatte in ihm jedoch nie mehr als eine Art Bruder gesehen.
Anfangs war Juliet anders als Sara gewesen. Im Glauben, ihn zu lieben, hatte sie sich ihm mit absolutem, unkritischem Vertrauen hingegeben. Für Ross war ihre Nähe wie eine Droge und ein unglaubliches Geschenk gewesen, genau so, wie er es sich immer erhofft hatte. Doch dann, nach einigen Monaten, hatte sich alles verändert. Ihre angeborene fröhliche Natur war plötzlich gedämpft gewesen, und sie hatte ihn mit verlorenen, traurigen Augen angesehen.
Er hatte gewußt, daß etwas nicht stimmte, aber er hatte nicht erkannt, daß ihre Liebe zu ihm erstarb. Oder vielleicht hatte Juliet ihn niemals wirklich geliebt: Einmal war er davon überzeugt gewesen, aber nachdem sie ihn verlassen hatte, war er sich nie wieder ganz sicher gewesen.
Sie hatten zu streiten begonnen, gewöhnlich über die Reise in den Mittleren Osten, die sie planten. Juliet war so begierig gewesen, abzureisen, aber Ross hatte gezögert, weil sein heißgeliebter Pate krank war. Sie hatte ihm scharfzüngige Kommentare über seine Verzögerungstaktiken an den Kopf geworfen, wahrscheinlich weil sie befürchtet hatte, sie würde letztendlich doch nicht reisen. Dann hatte er den Fehler gemacht, seinen Paten zu besuchen, wobei er Juliet zu Hause ließ, weil es ihr angeblich nicht gutging. Als er zurückkam, war sie fort.
Aus der Position seines jetzigen Alters heraus konnte er leicht sehen, daß Juliets Jugend und ihre Unerfahrenheit sie dazu verleitet hatten, Leidenschaft mit Liebe zu verwechseln. Er hatte sie in eine Ehe gedrängt, bevor sie Zeit für Zweifel gehabt hatte, aber es hatte nicht lange gedauert, bis sie ihren Fehlern erkannte. Jede andere Frau wäre um seines Vermögens und seines Besitzes willen bei ihm geblieben, nicht jedoch Juliet. Und obwohl sie ihm heute abend mit ungeschickter Galanterie verdeutlicht hatte, daß das Scheitern ihrer Ehe nicht sein Fehler gewesen war, wußte er es doch besser.
Natürlich hatte es in den letzten Jahren gelegentlich Frauen in Ross' Leben gegeben, wenn er so ausgehungert nach körperlicher Nähe gewesen war, daß er das Bedürfnis nicht länger bezwingen konnte. Doch keine der angenehmen, nonchalanten Frauen, die er aufgesucht hatte, war jemals in ihn verliebt gewesen. Zwar war er immer dankbar dafür gewesen, doch nun war diese Tatsache nur eine Bestätigung dafür, daß es seiner Natur an etwas fehlte.
Erst jetzt wurde er sich bewußt, daß er in seinen Räumen angekommen war und reglos in der Mitte seines Schlafzimmers stand. Nachdem er die Lampe abgestellt hatte, streifte er seine Kleider ab, warf sie achtlos über den Diwan und löschte dann das Licht. In einem seltsamen Zustand der Taubheit legte er sich auf die dicke baumwollgefüllte Matratze nieder und zog die Laken über sich.
Es war. . . interessant gewesen, festzustellen, daß das Verlangen, das Juliet in ihm immer geweckt hatte, noch genauso mächtig war, wie er es in Erinnerung hatte. Noch mächtiger, wenn er ehrlich war. Die Zeit hatte die Grenze zwischen Erinnerung und Traum verwischt, bis die Umarmung des heutigen Abends die Realität mit erschreckender Macht wieder zurechtgerückt hatte.
Noch interessanter war allerdings die Tatsache, daß auch Juliet ein Verlangen gespürt hatte, obwohl nicht stark genug, um ihren Widerstand gegen ihn zu überwinden. Es war klar, daß der Wunsch, ihm nie begegnet zu sein, den Juliet in ihr Tagebuch geschrieben hatte, nicht aus einem augenblicklichen Zorn heraus entstanden war. Ja, es wäre für beide besser gewesen, wenn sie sich niemals kennengelemt hätten, Trotz ihrer Leidenschaft, trotz des Lachens, der Gespräche und ihrem Verständnis füreinander, das sie kurze Zeit vor so vielen
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