Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Stratford Canning zu überreden, irgend etwas durch die offiziellen Kanäle zu unternehmen.«
»Wenn Canning abgelehnt hat, geht die Regierung also von Ians Tod aus.« Juliets Lippen preßten sich aufeinander. »Verflixt, meine Mutter hatte kein Recht, dein Leben auf dieser sinnlosen Mission aufs Spiel zu setzen.«
»Sie ist überzeugt, daß Ian noch lebt und wir beide gesund nach Hause zurückkehren werden«, erklärte er mit einem winzigen amüsierten Funkeln in den Augen. »Und wer bin ich denn, daß ich weibliche Institution anfechten würde?«
»Ich hoffe doch schwer, daß du nicht ernsthaft irgendwelches Vertrauen in Mutters seltsame Institution setzt«, fauchte Juliet. »Um Gottes willen, Ross, gib diesen irrsinnigen Plan auf! Wo liegt denn der Sinn in einem Selbstmord?«
»Sei es, wie es sei, das Thema ist keine Frage zur Diskussion«, sagte er mit einer Entschlossenheit, die keinen Widerspruch mehr duldete. »Ich bin schon einmal in Buchara gewesen und habe es überlebt. Ich schaffe es noch einmal. Und wenn nicht« - er zuckte mit einem Fatalismus, der eines Asiaten würdig gewesen wäre, die Schultern - »dann soll es eben so sein.«
»Du warst schon einmal in Buchara? Aber . . .«
Er fiel ihr spöttisch ins Wort: »Bist du etwa überrascht, daß jemand so Gelehrtes und Biederes so eine Reise gewagt hat?« Juliet errötete, denn sie wußte, sie konnte durch seine Provokation einen neuen Streit anfangen - und vielleicht war das genau der Grund, warum er diese Bemerkung gemacht hatte. Doch sie wollte sich nicht ablenken lassen, sondern die verschiedenen Möglichkeiten in Betracht ziehen. Sie würde es niemals schaffen, seine Absicht zu ändern - nicht, wenn er diesen verdammten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, der besagte, daß er sein Wort als Gentleman gegeben hatte. Und obwohl die Versuchung groß war, konnte sie Ross nicht wirklich zu seinem eigenen Schutz einsperren.
Sie murmelte einen persischen Fluch, der einem die Haare zu Berge hätte stehen lassen können. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, die seine Chance erhöhte, die Reise zu überleben. »Also gut«, sagte sie mit ruhiger Bestimmung, die seiner in nichts nachstand. »Wenn du unbedingt darauf bestehst, nach Buchara zu reisen, dann gehe ich mit.«
Kapitel 5
Verdammt und zugenäht und noch mal verdammt. Ross starrte seine Frau an und dachte, daß er es hätte kommen sehen müssen. »Auf gar keinen Fall.«
Sie hob unbeeindruckt die Augenbrauen. »Ich habe nicht um Erlaubnis gebeten, Ross. Ich gehe mit, und du hast keine Möglichkeit, mich davon abzuhalten. Du bist vielleicht durch Zentralasien gereist, aber ich habe neun Jahre hier gelebt. Ich kenne die Menschen und ihre Bräuche besser als du, und ich habe mehr Leute unter Befehl.« »Sei nicht albern«, verlangte er heftig. »Du weißt, daß Frauen in diesem Land keine gesellschaftliche Stellung haben. Allein könntest du gar nichts ausrichten, und als meine Begleitung würdest du meine Lage nur verschlechtern. Meine Mission wird viel schwieriger sein, wenn ich mich nicht nur um meine, sondern auch noch um deine Sicherheit kümmern muß.«
»Heb dir deine Sorgen für dein eigenes Leben auf«, gab Juliet schlicht zurück. »Du riskierst viel mehr als ich, denn ich werde wohl kaum als Frau auftreten.«
Ross öffnete den Mund, dann schloß er ihn wieder. »Bei deiner Größe und mit der Tuareg-Tracht wirst du vermutlich als Targi durchgehen, wenn du keine größeren Fehler im Verhalten machst«, gab er widerwillig zu. »Obwohl die Tracht in Zentralasien wohl ein wenig verdächtig ist, bist du damit auf jeden Fall sicherer als in der Rolle einer Ferengi-Frau. Doch das steht nicht zur Debatte. Ich sehe keinen Vorteil in deiner Begleitung, dafür jede Menge Nachteile. Um das Argument zu benutzen, das wir beide heute schon fast überstrapazierst haben: Du würdest dich sinnlos in große Gefahr begeben.«
»Man behauptet, daß Buchara eine Schlangengrube von Spitzeln und Informanten ist. Wenn ich mich dort als Moslem zeige, habe ich weitaus mehr Möglichkeiten, mich frei zu bewegen als du, und ich werde in der Lage sein, Dinge zu erfahren, die einem Ferengi niemals zu Ohren kommen würden.« Sie drehte gedankenverloren ein« Strähne ihres Haares um den Finger. »Ich denke, es wäre am klügsten, wenn ich mich als dein Diener ausgebe.«
Ross hätte sich fast am letzten Rest Kaffee verschluckt. »Du als Diener?« fragte er ungläubig. »Ich kann mir eher vorstellen, daß du als Mann
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