Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
brauchten lange Erholungsphasen nach harten Strapazen. Nur die kräftigsten Kamele würden die anstrengende Reise durch die Wüste überstehen, und Juliet hatte bereits einige der Tiere aus dem Kontingent des Händlers abgelehnt.
Die nächste Möglichkeit war eine Kamelstute mit dichtem Fell und langem gelocktem Haar an der Kehle. Sie klapperte verführerisch mit den Wimpern und schwang dann ihren Kopf herum, um ihm ins Gesicht zu rülpsen. Bei einem Kamel bedeutete das durchaus Freundlichkeit.
Aufmerksam musterte Ross die breiten Hufe des Tieres, während Juliet den allgemeinen Zustand inspizierte. Nach gründlicher Untersuchung erklärte sie: »Das ist in Ordnung.«
»Ich mag sie.« Ross gab dem Tier einen freundlichen Klaps auf die Flanke. »Ich werde sie selbst reiten und sie Julietta taufen.« Die Augen seiner Frau blitzten ihn zornig durch den Schlitz in ihrem Schleier an, doch sie hielt den Mund, da sich der Besitzer der Kamele, Mustafa Khan, soeben näherte.
Sie waren nur eine halbe Stunde später als angestrebt aus Serevan losgeritten. Saleh hatte sein leuchtendes Seidengewand zugunsten eines nüchterneren Händleraufzugs abgelegt, und Juliet in ihren dunklen Umhängen und den Schleiern stellte überzeugend den stolzen, reizbaren Dienertypen dar. Murad war ziemlich neugierig, was seinen Tuareg-Gefährten anging, hatte es bisher jedoch nicht gewagt, eine Bemerkung zu machen, nachdem sein erster Versuch einer Begrüßung nur durch einen kalten Blick und einer einzigen geknurrten Silbe erwidert worden war.
Von sechs Männern aus Serevan begleitet, waren sie aus dem Hochplateau in die karge Ebene geritten, die sich endlos in der Ferne erstreckte, und ein scharfer Ritt hatte sie noch vor Sonnenuntergang nach Sarakhs gebracht. Die wenig beeindruckende Gemeinde aus Lehmziegeln lag am Rande der Wüste an einem schmalen, schlammigen Fluß. Nominell unter persischer Führung, bestand die Bevölkerung aus etwa zweitausend Familien seßhafter Turkmenen.
Da er die Kamele im Tageslicht auswählen wollte, hatte Ross Juliet gebeten, sie sofort nach ihrer Ankunft in der Stadt zu dem Händler zu führen. Nun, als sich die Nacht langsam senkte, setzte sich Ross mit dem Mann zum Tee, um den Preis für die ausgesuchten Tiere auszuhandeln. Das Handeln war im Osten sowohl eine Kunst als auch Unterhaltung, und Mustafa Khan leitete den Prozeß vergnügt mit der Forderung einer unverschämten Summe ein.
Ross hätte das Geforderte leicht aufbringen können, aber zuviel auszugeben konnte gefährliche Aufmerksamkeit erregen, ganz sicher würde es aber verraten, daß er kein Orientale war. Er konterte mit einem Fünftel der geforderten Summe und beobachtete dann mit tiefster Bewunderung, wie Mustafa Khan stöhnte, seine Augen sich kummervoll schlössen und sein Schnurrbart heruntersank.
Der turkmenische Händler wies daraufhin, daß der verehrte Kilburn die besten Tiere aus der Herde ausgesucht hatte. Er hängte eine innige Erklärung seiner Liebe zu diesen Tieren hintan, versicherte inbrünstig, daß sie ihm wie seine eigenen Kinder ans Herz gewachsen waren, und setzte hinzu, daß er sie nur verkaufte, um so edlen Reisenden wie Kilburn zu Diensten sein zu können. Dann senkte er den Preis um etwa zehn Prozent.
Die Jahre der Erfahrung auf Basaren in Asien und Afrika hatten Ross ein recht anständiges Geschick zum Feilschen verliehen, und so konterte er mit einer langatmigen Abhandlung über die Mängel der Tiere: die Schwäche ihrer Muskeln, die Jämmerlichkeit ihres Zustandes, die" Wahrscheinlichkeit, daß sie tot umfallen würden, bevor sie die Hälfte der Wüste durchquert hatten. Obwohl es vermutlich nur besser für ihn wäre, seine Kamele woanders zu erstehen, hatte ihn die Zuneigung und die Wertschätzung, die er beim Anblick Mustafa Khans sofort verspürt hatte, dazu verleitet, mehr zu bieten, als die armseligen Tiere wert waren.
Als Ross eine neue Zahl nannte, griff sich der Händler ans Herz und murmelte, daß der verehrte Kilburn Mustafa Khans Kinder zu Waisen und Bettlern machen wollte, dann nannte er einen neuen Preis. Und so ging es über zwei Stunden und sechs winzige Tassen Tee höchst vergnüglich weiter, währenddessen die anderen Mitglieder aus Ross' Truppe das Geplänkel mit orientalischem Gleichmut verfolgten. Nur Juliet nicht, die finster und gefährlich wirkte und rastlos im Hof umherschritt.
Zweimal stand Ross auf und tat, als wollte er gehen, wobei Saleh, Murad und Juliet immer direkt hinter ihm
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